Einmal, da muss es vorbei sein – Segler an Nord- und Ostsee können das jedes Jahr sagen, wenn das Boot nicht im Wasser bleiben soll. Im Mai gings rein, im Oktober schon wieder raus. Dabei wäre ein Boot im Wasser gerade jetzt, im zweiten Lockdown, nicht übel. Aber das wollten wir der Vindö mit ihrem Holz nicht antun, sie sollte lieber in ein trockenes Plätzchen. Die Saison ist ja längst beendet und das Wetter spielt auch nicht mehr mit.
Nun hat sich Svanen in eine Bootshalle am Nord-Ostsee-Kanal zurückgezogen, wo sie, ein Blechdach über dem Deck, auf das Frühjahr wartet. In einer Halle kann man auch bei Wind und Wetter gut arbeiten. Denn im Winter stehen wieder einige Holzarbeiten an und natürlich wird auch das Unterwasserschiff neu gestrichen. Diese kleine Bildergalerie zeigt ihre letzte Reise in diesem Jahr.
Wenig später machen wir das gleiche Manöver am Binnensee noch einmal: Unsere Jolle, der Conger, muss auch an Land. Mit ihm hatten wir die Saison eröffnet, er beschließt sie auch wieder. Eine Jolle ans Ufer zu holen – das geht in kleinerem Maßstab, ohne Maschinen und Helfer. Mit einer Kurbelwinsch wird die schwere Jolle das Ufer hinauf gezogen, auf Rundhölzer gestützt. Dann kann abgetakelt werden und die blaue Winterpersenning kommt über das Deck. Fertig. So kann auch die Jolle die Wintermonate überstehen.
Wenn der Wind passt, die Strecke gut gewählt ist und dann noch die Sonne scheint, wird aus einem kleinen Ausflug ein perfekter Törn. Auch wenn einem dabei Kuriositäten begegnen, zum Beispiel in dem Ort, der besser “Damp 2000” heißen sollte.
Die Sonne steht schon hoch am Himmel, an diesem sonnigen Samstag im September, das Boot ist aufgeklart. Doch wohin? Bei so günstigen Bedingungen, ein konstanter Wind der Stärke drei weht von Ost, scheint vieles möglich. Am liebsten würde ich nach Dänemark durchstarten, Langeland liegt etwa sechs Stunden entfernt im Nordosten.
Doch die Reise soll nach Damp gehen, eine fast perfekte Entfernung mit vier Stunden geschätzter Segelzeit. Dahin ist sogar ein Tagesausflug möglich, wenn die Bedingungen stimmen. Mit Damp verbindet mich Zuneigung wie Abneigung zugleich. Die Zuneigung, weil wir hier unser erstes Segelboot erworben hatten und es auch eine Saison dort lag, eine kleine Kelt 620. Die war trotz ihrer Länge von 6,20 Meter gar nicht langsam, weil sie eine ordentliche Segelfläche hatte. Liebevoll gepflegt von ihrem Vorbesitzer war das kleine Schiff auch.
“Damp 2000” wäre der passende Name, auch heute
Doch bei Damp ist auch etwas Abneigung im Spiel: Die gigantischen Betonblöcke mit Hotel und Klinik, der Hafen, der wie eine Bühne zur Unterhaltung der Kurgäste eingekeilt zwischen den Hochhausfluchten liegt. Eigentlich gefällt mir der ursprüngliche Name, “Damp 2000”, viel besser, denn er ist ein Hinweis auf die Entstehung dieses Groß-Ferienortes in den 1970er Jahren, als das Jahr 2000 noch weit weg war und sich extrem futuristisch anhörte. Auch sparte man damals noch nicht mit dem Betonmischer und schuf im Stil des Brutalismus gewaltige Hochhausformen. Das Marketing des Urlaubsortes hat das “2000” wohl wissend schon lange aus dem Namen gestrichen.
Immerhin: Damp hat es geschafft, im Gegensatz zu vielen anderen Groß-Urlaubssiedlungen an der Ostsee, recht gut im Geschäft zu bleiben. Der Beton wirkt immer noch gepflegt, das Schicksal von Orten wie Wendtorf beispielsweise, wo erst die Leerstände und dann die Abrissbirne ins Zentrum kamen, blieb ihm erspart. Alles in allem ein lohnendes Ziel für einen kurzen Trip.
Also, Segel setzen und Kurs Richtung “Damp 2000”. Vorher noch ein Zwischenstopp an der Yachttankstelle Strande, da der Diesel etwas Nachschub braucht und man ja nie wissen kann, ob der Wind nicht doch einschläft. In Strande macht jedes Anlegen Spaß, weil der hilfsbereite Tankstellenwart die Leinen annimmt und neben dem Kraftstoff in seinem Kassenhäuschen nützliche Dinge wie kalte Getränke und Tageszeitungen vorhält.
Vor dem Bülker Leuchtturm geht dann das Großsegel hoch und die Fock wird ausgerollt. Die Vindö nimmt Fahrt auf, passiert die Spitze mit dem Leuchtturm und steuert dann schnurgerade auf “Damp 2000” zu. Mit ein wenig Trimm kann man die Pinne feststellen und sie fährt fast von allein geradeaus. Der Wind ist gemächlich, reicht aber, um das Schiff auf 4,5 Knoten zu bringen. Angesichts der perfekten Bedingungen, die Sonne knallt vom Himmel, die Wellen wiegen das Schiff ganz sanft, die Eckernförder Bucht zieht vorbei, kann diese Fahrt ruhig etwas länger dauern.
Die Urlaubsgäste flanieren in Damp mit Abstand
Ein Vorteil an “Damp 2000” sind die Gastliegeplätze, die an einem schönen Holzsteg noch vor dem eigentlichen Hafen liegen. Dort ist das Schiff wenig später gut festgemacht. Auf der Promenade herrschen die gleichen Bedingungen wie im Corona-Sommer überall an der Küste: Menschen flanieren mit Abstand, gehen mit Masken in die kleinen Geschäfte, bummeln vor sich hin. Eigentlich auch fast perfekt, man kann ja froh sein, dass es wieder Tourismus gibt.
Doch am Abend kommt Bewegung in die Szenerie. Am Strand sind einige Bretterverschläge aufgebaut, auch so etwas wie eine Bühne ist zu erkennen. Davor sammelt sich eine Schlange, die länger und länger wird. Kaum Abstand halten die Wartenden, einige ziehen sich etwas entnervt die Masken vom Gesicht. Ein Wärter mit Megafon ermahnt sie, die Masken sofort wieder aufzusetzen. Aus sicherer Entfernung vom Steg kann man verfolgen, wie die Urlauber in der Ansammlung aus Bretterhütten verschwinden. Dann steigt Trockeneis-Nebel auf, gewaltige Bässe dröhnen, bunte Lichter blitzen zwischen den Holzverschlägen.
Ein Wikinger-Spektakel scheint da zu steigen. Das muss natürlich dramatisch sein, blutrünstig und mit vielen Kämpfen. Über die Lautsprecher werden Flüche und Kampfgeräusche übertragen. Das mutet reichlich skurril an und nervt nicht wenige im benachbarten Yachthafen. Aber offenbar braucht es solche Spektakel, um die Urlaubersiedlungen voll zu bekommen. Schließlich will man seinen Gästen auch Live-Unterhaltung bieten. Was auch immer die dazu bewegen mag, dicht gedrängt anzustehen und sich dann ein solches Spektakel anzusehen. Gegen zehn Uhr ist der Spuk auch wieder vorbei, die Urlauberkolonne zieht davon, jetzt auch mit Abstand.
Eine sternenklare Nacht im Hafen Damp
Eine sternenklare Nacht folgt, in der es doch empfindlich kalt wird. Es ist eben Mitte September. Am nächsten Morgen rätsele ich wieder über die Steuerung der russischen Standheizung an Bord, die es nachts warm und nach Sonnenaufgang brüllend heiß unter Deck machte, obwohl sie eigentlich herunterregeln sollte. Besser zu viel als zu wenig, scheint die sibirische Devise in dem kleinen Kontrollteil zu sein, eine offenkundig unlogische Ansammlung von kleinen Tastern und Blinkleuchten. Antworten gibt die in brüchigem Deutsch und ebenso brüchigem Englisch verfasste Bedienungsanleitung nur spärlich. Immerhin arbeitet der kleine Heizer ansonsten äußerst zuverlässig in kalten Nächten.
Das Meer ist mit 17 Grad nicht mehr jedermanns Sache, das Schwimmbad hat noch nicht wieder geöffnet. Also bleibt nur die “Seglerdusche” im Keller eines Betonhauses zur Erfrischung. Die ist immerhin einen Hauch gepflegter als in anderen Häfen, obwohl einem in dem engen Kellerräumen doch etwas corona-getriebene Klaustrophobie erfassen könnte. Geschafft, wenig später ist man vermeintlich unbeschadet wieder an der frischen Luft.
Und während im Hafen Boot für Boot die frühen Segler ihre Leinen losmachen, lassen wir es mit einem gemütlichen Frühstück angehen, bevor wir uns ebenfalls wieder auf den Rückweg machen. Wieder perfekte Bedingungen: Ein konstanter Wind von Ost, so um die Windstärke 4, treibt das Boot schneller als gestern noch an. Die Windrichtung reicht gerade noch, um ohne Kreuzen den Bülker Leuchtturm zu erreichen. Und es ist voll auf dem Wasser: Im Norden sieht man Dutzende Segel, im Osten und im Süden ebenfalls.
Eine Stunde Revierfahrt in der Förde
Auch dem letzten Abschnitt in der Kieler Förde kommt der Wind genau von achtern – sprich: von hinten. Zeit für den “Schmetterling”. Beide Segel werden gegenüber gefahren, der Wind treibt das Boot vor sich her. Jetzt muss nur noch umsichtig manövriert werden, da die Förde an diesem Sonntagnachmittag voll mit kreuzenden Booten ist. Und zwischendurch schiebt sich immer wieder ein Frachtschiff oder eine Fähre vorbei.
Manchmal ist es schon etwas umständlich, dass unser Hafen so tief in der Förde, mitten in der Stadt liegt, weil man immer noch eine gute Stunde für diese “Revierfahrt” drauflegen muss. An diesem Sonntag ist das Genuss, immer an der Pinne, um den “Schmetterling” zu halten, denn die Segel fallen schnell ein, wenn man ein paar Grad aus dem Kurs geht. Im Hafen wartet gleich die nächste Menschenansammlung, eine Demonstration “für die Freiheit der Individuen” hat sich auf der Wiese oberhalb der Anlegestelle, flankiert von Polizei, versammelt. Doch wer die Freiheit sucht, der findet sie auch in Corona-Zeiten – auf der Ostsee, zum Beispiel.
In Warnemünde auf der Promenade ist die Hölle los. Menschen bummeln in Gruppen auf und ab, drängen sich in die Geschäfte, Mindestabstand scheint ein Fremdwort zu sein. Das ist der Sommerurlaub 2020 in Corona-Zeiten. Unser Segelboot liegt unterdessen in der Hohen Dühne, auf der anderen Seite der Warnow. Das ist eine andere Welt: Schätzungsweise nur die Hälfte der Liegeplätze ist belegt, die Promenade ist leer, im Hotel haben nur einige Restaurants geöffnet.
Mit gefällt das ganz gut, habe ich doch einige Videokonferenzen auf dem Plan, und da passt die etwas leere, “businesslike” Atmosphäre in der Hohen Düne gut. Die Kajüte muss ich abdunkeln, die Lüftung voll aufdrehen, während die Sonne auf das Kajütdach knallt, dafür funkt die LTE-Verbindung weitgehend stabil. Ein schnelles Wlan mit dem man solche Konferenzen durchführen könnte ist, nebenbei bemerkt, in fast allen Yachthäfen nicht vorhanden. Aber das schwimmende Büro ist mit dem Laptop auf der Ostsee einsatzbereit.
Mit dem Segelboot die Küste entlang
In diesem Sommer führt uns der Törn von Kiel aus nach Mecklenburg, die Ostseeküste entlang, bevor wir von Warnemünde abbiegen und über Gedser, den Guldborg-Sund, Nykoebing-Falster und Femoe in den großen Belt abbiegen. Eigentlich sollte es ja nach Schweden gehen, aber daran war angesichts der Quarantänebestimmungen für Urlaubsrückkehrer nicht zu denken.
Dänemark hat den Bogen raus, könnte man sagen. Obwohl es im Alltag etwas mehr Freiheiten gibt, keine Maskenpflicht etwa, liegen die Infektionszahlen etwas niedriger als bei uns. Anders als in Warnemünde werden in den Städten die Abstände eingehalten, in Geschäften, Cafes und Restaurants stehen Desinfektionsmittel bereit. In Nykoebing-Falster begrüßt uns der Bademeister des örtlichen Hallenbades hocherfreut: “Endlich Kundschaft” sagt er und führt durch das kleine, hübsche und saubere Bad, während es draußen in Strömen regnet.
Auch wenn es sicher ist, mit dem Segelboot zu reisen, gibt es Schwachpunkte in Corona-Zeiten: In den deutschen Ostseehäfen hört die Sicherheit in den Häfen oft auf, genauer gesagt in den sanitären Anlagen. Waren diese schon vor Corona oftmals ein Schwachpunkt, was die Sauberkeit angeht, fällt das jetzt besonders auf. Viele sind nach wie vor voll und ungepflegt. In einem Hafen in Mecklenburg gebe ich es auf: Lieber gleich ins Meer springen. Wenn irgendwo Infektionsgefahr lauert, dann in diesen Anlagen. Für die überaus gepflegte Hohe Dühne trifft das glücklicherweise nicht zu.
Sicherheit ist in dänischen Häfen größer
Das wird in Dänemark aber meist anders gehandhabt: Dort sieht man tatsächlich drei Mal am Tag Reinigungskräfte die gesamten Anlagen desinfizieren. Penibel wird auf Sauberkeit geachtet. Trotzdem sind die Häfen oft leer. Aus vergangenen Törns wissen wir, dass es mitten im Sommer schwierig sein kann, nach 18 Uhr einen Hafen anzulaufen, weil die meisten Liegeplätze belegt sind. Jetzt finden wie in den schönsten Häfen rund um Fünen eigentlich immer freie Plätze. Einzig Juelsminde und Middelfahrt sind voller.
In einem großen Bogen rund um Fünen führt uns die Reise über den Kleinen Belt nach Kiel zurück. Assens und dann der Als-Sund nach Sonderborg stehen noch auf dem Programm. Dazwischen gibt es reichlich stürmisches Wetter mit Regenschauern und viel Wind. Das ist kein Problem mit unserer Vindö, einzig wenn der Autopilot nicht mehr zuverlässig arbeitet, wird das Steuern bei Windstärke 6 etwas anstregend. Dafür sind wir schnell.
Mit dem Segelboot unterwegs zu sein scheint das ideale Verkehrsmittel in diesen Corona-Zeiten zu sein: “Social Distancing” ist auf dem Meer nun wirklich kein Problem, man reist aber in enger Verbindung zur Natur und kann nach Herzenslust Häfen anlaufen, zumindest an der Ostsee, in Deutschland und Dänemark.
Samstagmittag, am Kai am Nord-Ostsee-Kanal: Wir stehen mit Mundschutz und Handschuhen neben dem Kran, der eng getaktet Boote aus dem Winterlager ins Wasser befördert. In Corona-Zeiten ist Abstand halten angesagt, man darf es nicht vergessen, auch niemandem die Hände schütteln. Also warten wir in respektvoller Entfernung.
Dann kommt ein Fahrzeug mit einem Spezialanhänger angerumpelt, auf dem unsere Vindö 32 “Svanen” steht. Bis zum Schluss wurde an ihr gewerkelt: Der Propeller ist ausgebaut und in Bremen überholt worden. Und immerhin fünf Seeventile, das sind die Durchbrüche im Rumpf, über die zum Beispiel das Wasser fürs Waschbecken kommt, sind ausgetauscht worden.
Rasch hängt das immerhin vier Tonnen schwere Schiff in den Gurten, die wiederum an Kranhaken hängen, und wird angehoben. Ein faszinierendes Bild: Ein schweres Segelboot, das durch die Luft schwebt, über die Kaikante, dann nach unten, ins Wasser.
Der erste Blick gilt natürlich den Seeventilen der Vindö. Der Werkstattmeister steigt ins Boot und hebt Stück für Stück die hölzernen Bodenplatten an, während “Svanen” noch in den Gurten hängt. Eigentlich hatte ich keine Zweifel: Die neuen Ventile scheinen dicht zu sein. Dann wird das Schiff ganz abgesenkt und die Gurte werden entfernt. Wir haben Kranmanöver auf der Marina Lanke Berlin am Wannsee und in Bremerhaven erlebt. Alle liefen profesionell ab. Doch die Routine und auch das Tempo, das hier an den Tag gelegt wird, dürfte kaum zu toppen sein.
Die erste Fahrt im Sonnenschein auf der Förde
Die Sonne scheint, es geht fast direkt in die Schleuse und auf der anderen Seite auf die Kieler Förde. Ruhig liegt das Schiff im Wasser, ein frischer Wind weht. Unglaublich, nach einem langen Winter und den vielen Wochen des “social distancing”. Im Sonnenlicht glänzen die Decksaufbauten der Vindö, an deren Holz wir im Winter viele Stunden geschliffen und lackiert haben.
Sieht ganz gut aus – dafür, dass wir keine Holzprofis sind, sondern, nun, “engagierte Amateure” würde ich das nennen. Und der neue Propeller lässt sich auch gut an. Jetzt liegt das Schiff wieder an seinem Liegeplatz in Kiel, sicher vertäut. Ein großes Stück Freiheit in der Corona-Krise.
Was macht der Propeller am Segelboot? Man braucht ihn zum manövrieren, zum Beispiel in der Schleuse des Nord-Ostsee-Kanals. Oder um aus dem Hafen zu kommen. Oder bei Flaute. Nun hat “Svanen” von seinem Vorbesitzer einen besonders schönen Propeller bekommen, einen “Drehflügelpropeller”. Der funktioniert so: Beim Segeln drehen sich die Blätter automatisch in Strömungsrichtung und bieten den geringsten Widerstand. Das bringt tatsächlich etwas, beim Segeln ist das Schiff tatsächlich schneller, um cirka einen Knoten. Benötigt man den Motor, drehen sich die Flügel so, dass das Schiff angetrieben wird.
Doch es gab ein Problem, das nicht so leicht zu beheben schien. Da mussten Fachbetriebe ran. Denn der Propeller passte trotz seiner aufwendigen Konstruktion nicht zum Schiff, er war schlicht zu groß für den kleinen Raum zwischen Kiel und Ruder, in dem er sich dreht (dem “Propellerbrunnen”). Sein Wirkungsgrad war also nicht optimal.
Es gab verschiedene Lösungsansätze: Ein neuer, kleinerer Propeller, doch die sind ziemlich teuer. Den Platz für den Propeller zu vergrößern. Oder diese recht intelligente Lösung: Die Yachtwerft Dick demontierte den Propeller und schickte ihn nach Bremen in die Werkstatt. Eigentlich haben wir einen “Prowell”-Propeller, auch aus Bremen, doch das Unternehmen gibt es nicht mehr. Sehr ähnlich sind aber die Propeller der SPW GmbH, die auch den Service übernommen hat.
Und dort wurden nicht nur die Flügel so verkleinert, dass sie passen, sondern auch die Steigung etwas angehoben. Das heißt, pro Umdrehung schaufelt der Propeller etwas mehr Wasser weg. Ein aufregender Punkt, denn zu viel Steigung darf es auch nicht sein, sonst wird die Kraft nicht mehr richtig übertragen. Aber offensichtlich hat man bei SPW Erfahrung mit diesem Bootstyp und konnte genaue Einstellungen vornehmen.
Nun stand “Svanen” eine Woche vor dem Krantermin immer noch ohne Propeller in der Halle. Nur die Welle ragte aus dem Rumpf. Das wäre kompliziert geworden. Aber die Montage ging dann doch schnell: Der Propeller kam aus Bremen zurück nach Kiel, wurde von der Yachtwerft Dick montiert, das Schiff konnte ins Wasser.
Ergebnis: Propeller sorgt für weniger Verbrauch
Und was für ein Unterschied: Die Vibrationen im Schiff nahmen auf der ersten Testfahrt erkennbar ab. Und durch den neuen Propeller scheint der Motor weniger zu verbrauchen, ist leiser und treibt das Schiff etwas schneller an. Ein Beispiel: Brauchte man vorher 2400 Umdrehungen pro Minute vom Motor, um auf 5,5 Knoten zu kommen, reichen jetzt schon 2000 Umdrehungen. Darüber ist man auch schnell über 6 Knoten.
Das ist eine gute Lösung, denn: In einer Bootswerft in Schweden hatte man uns vergangenen Sommer noch geraten, den Platz zu vergrößern, also das Schiff rund um den “Propellerbrunnen” aufzuschneiden – dies sei immer noch günstiger als ein neuer Propeller. Das mag eine Möglichkeit sein. Doch die Flügel zu verändern, ist eindeutig smartere die Lösung. Beeindruckend, was für High-Tech doch in einem Messingapparat unter Wasser stecken kann.
Warum segelt Ihr eigentlich, werden wir öfters gefragt. Was ist dabei besonders, was ist anders? Passionierte Segler werden darauf natürlich eine Antwort haben, jeder für sich eine eigene. Für alle Nicht-Segler will ich einmal kurz versuchen, den Reiz des Segelns zu beschreiben.
Da ist zunächst einmal das Meer, auf dem man sich bewegt. Es ist eben völlig anders, eine Küste entlangzusegeln, eine Bucht zu überqueren oder quer durch die Ostsee zu pflügen, als eine der üblichen Reisearten zu nehmen. Autos fahren auf Straßen, Züge auf Schienen, Flugzeuge fliegen – da kommt man überall hin, das ist Alltag.
Das Segelboot segelt – logischerweise. Es wird vom Wind angetrieben und das ist eine Herausforderung an sich. Bei wenig Wind muss man den leisesten Hauch einfangen, um überhaupt voranzukommen. Bei viel Wind muss man ständig auf der Hut sein, kommt aber pfeilschnell voran. Wenn da nicht die Wellen wären, die jenseits von sechs Windstärken auch auf Ostsee beachtliche Ausmaße annehmen und ausgesteuert werden wollen.
Und wie ist das da draußen, mitten auf dem Meer, wenn man kein Land mehr sieht? Zugegebenermaßen, das ist am Anfang ungewohnt. Wenn es kein Handynetz mehr gibt und nichts als Wasser herum. Doch in diese Freiheit taucht man schnell ein, es kommt der Reiz des Segelns dazu – kein anderes Boot in Sicht, kein Hindernis, nichts als Weite. Wobei sich unsere Weite auf das Kattegat und die Ostsee beschränkt – noch ist dies ja schließlich kein Weltumsegler-Blog.
Nach dem Anlegen wird es gemütlich
Dafür stellt sich nach einem langen Törn das Gefühl ein, etwas vollbracht zu haben. Man liegt gut vertäut im Hafen, während der Wind noch pfeifft und die Brecher gegen die Mole schlagen. Jetzt kann man es sich gemütlich machen: Da geht nichts über ein gepflegtes Anlegebier im Cockpit. Das Boot ist ja immer mit dabei, keine Hotelsuche, kein Einrichten auf einem Campingplatz.
Das Segeln hat aber auch ein Ziel: Wir reisen tatsächlich mit dem Segelboot. Das können kleine Inseln in Dänemark und Schweden sein, ein Wochenendtörn in die dänische Südsee, das können aber auch Städte sein – Kopenhagen, Malmö, Arhus und Göteborg lassen sich sehr gut von Deutschland mit dem Boot erreichen. Und wenn man mitten in der Stadt ist, kann man auch gleich auf dem Boot wohnen. Allerdings ist man, abhängig von Wind und Wetter, mit dem Segelboot manchmal etwas länger unterwegs. Bis nach Oslo wollen wir erst noch kommen.
Die Reviere sind vielfältig
Aber die Ziele, oder die Segelreviere, die man bereisen kann, sind oft vielfältig. Man könnte sagen: Auf dem Wasser vor der Haustür wartet das Abenteuer. Wir waren mit unserem ersten Boot, einer Kelt 620, schon von Deutschland aus in Dänemark unterwegs. Mit dem zweiten Boot, einer Jaguar 25, haben wir in Berlin am Wannsee gelegen. Mit umgeklapptem Mast ging es mitten durch die Hauptstadt, aber auch die Kanäle bis zur Ostsee bei Swinemünde hinunter und dann nach Bornholm. Mit dem Boot sind wir aber auch auf der Weser gesegelt, von Bremerhaven nach Bremen und ins Wattenmeer nach Wangerooge.
Jetzt sind wir mit unserem dritten Boot, einer Vindö 32, unterwegs. Es ist kein Zufall, das wir schließlich bei einem schwedischen Langkieler gelandet sind. Das Boot ist nicht nur schön anzusehen, weil Deck, Cockpit, Salon und Kojen komplett aus Holz sind, aus Mahagoni und Teak. Das ist stilvoll und gemütlich. Kein Wunder, die dänischen Vorbesitzer haben das Boot auch liebevoll eingerichtet und gepflegt. Vieles ist noch original aus dem Baujahr 1979. Dazu ist die Vindö nicht nur schön, sondern sehr seefest. Ich will das so illustrieren: Vorher war bei fünf Windstärken meist die Schwelle erreicht, ab der es ungemütlich wurde. Mit der Vindö fühlt man sich bei sechs Windstärken und ordentlichen Brechern noch sehr gut aufgehoben. Und schnell ist man dann auch. Sie hat eben einen langen Kiel, keinen modernen Stummel am Rumpf. Das gibt Sicherheit.
Am Ende sind es eine Vielzahl von Gründen, die den Reiz des Segelns ausmachen, dies waren nur einige. Jeder Segler wird individuell andere haben. Doch es ist und bleibt die schönste Art der Fortbewegung.
Die Wintersaison ist wegen der Corona-Krise verlängert. Unser Boot steht weiterhin im Winterlager in Kiel, da der Krantermin, der Moment, wenn es zurück ins Wasser geht, verschoben werden musste, um einen Monat. In der Zwischenzeit bietet die Werft an, Reparaturaufträge auszuführen. Da hatten wir einiges geplant, waren bislang aber nicht dran gekommen. Jetzt soll aber der nächste Versuch folgen: Einige der Original-Seeventile müssten erneuert werden. Das sind die Durchbrüche im Rumpf, durch die Seewasser zu- und abgeleitet wird, fürs Waschbecken zum Beispiel.
Und einige Ventile sind zwar aus solidem Material, aber schon über 40 Jahre alt, höchste Zeit für einen Austausch. Die Handwerker auf der Werft, sonst stets gut ausgelastet, bieten jetzt ihre Arbeit an. Die Krise ist eigentlich ein guter Zeitpunkt, dies in Anspruch zu nehmen – schließlich hatte ich das so auch schon in einem Kommentar geschrieben. Nun sind wir selbst gespannt, was dabei herauskommt.
Bei einer Vindö muss man im Winter zu Schleifpapier und Lack greifen, denn die Holzteile außen wollen einen schönen UV-Schutzüberzug bekommen. Daran haben wir uns gewöhnt, doch in diesem Winter stand eine besondere Aufgabe an: Weil irgendwie Feuchtigkeit unter das “Cockpitsüll”, also die runde Einfassung der Plicht, gekrochen ist, drohte das Holz zu rotten und schwarz zu werden. Den Grund erfuhr ich im Vindö-Forum: Die Teakleiste über dem Cockpitrand ist nicht ganz dicht.
Eine größere Operation stand an. Ersteinmal die Teakleiste abschrauben. Erstaunlich, dass das noch geht nach 40 Jahren. Holzpropfen entfernen, Schrauben herausdrehen, die Leiste abnehmen.
Und dann: Schritt Eins: Mit Abbeizer den Lack runterholen. Schritt Zwei: Die Lackreste abschleifen, aber vorsichtig. Schritt Drei: Mit Oxalsäure, einem Hausmittel, haben wir versucht, die schwarzen Stellen zu entfernen. Wirkung: Fast gleich Null. Kein so tolles Hausmittel. Also doch noch einmal die Schleifmaschine.
Und dann sah endlich alles halbwegs gleichmäßig aus. Also begann der Neuaufbau der Lackschichten: Erst schön Klarlack (wir haben gute Erfahrungen mit Epifanes aus Holland gemacht) mit Mahagonibeize auftragen. Dann mehrere Schichten Klarlack mit Verdünner. Und dann eine Schicht nach der anderen. Ich hätte es ja selbst nicht geglaubt: Am Ende waren es neun Schichten Lack, die wir aufgetragen haben. Das sollte reichen für die kommende Saison. Operation abgeschlossen.
Ansegeln über Ostern 2020. Nicht mit “Svanen”, die steht noch im Winterlager und darf frühestens Ende April wieder in die Ostsee. Aber mit einer Jolle, dem Conger “Gorch Grog”, auf einem Binnensee in Schleswig-Holstein. Natürlich immer mit ausreichend Abstand. Es sind aber auch nur zwei andere Boote unterwegs. Also komplett “Auflagenkompatibel”. Und Jollensegeln ist auch etwas feines, der Conger reagiert auf die feinsten Ausschläge mit der Pinne und kommt in Böen doch tatsächlich auf über fünf Knoten.
Mit unserer Vindö 32 “Svanen” sind wir auf Nord- und Ostsee unterwegs (hier übrigens der Link zum sehr informativen Vindö-Forum). Die Yacht, Baujahr 1979 in Schweden, segelte durch Dänemark, bevor wie sie erwarben. Und sie will mit ihrem Holz gut gepflegt sein. Dazu wird es noch einige Beiträge geben. Aber hier erst einmal einige Foto-Impressionen.