Wenn das Wasser der Nordsee blau statt grau wird, wenn die rote Tonne Vier auf der Elbe hinter uns liegt und die “Außenreede Elbe” an Backbord liegen bleibt, wenn die Dünung sich sanft neigt und Kurs Nordost anliegt, dann ist klar: Bald kommt Helgoland in Sicht. Im Mai haben wir die Gelegenheit ergriffen und dem Felsen einen Besuch abgestattet. Es kommt vor allem auf das Wetter an, wenn man mit einem knapp neun Meter langem Segelboot dort hinreist. Wir hatten Glück: Vor unserem Besuch war das Wetterfenster günstig, während unseres Aufenthaltes stürmte es, danach wurde es wieder ruhig.
Dann ist die Fahrt nicht weiter dramatisch: Von Hamburg nutzten wir die Strömung, um in einem Zug nach Cuxhaven zu kommen. Segelt man los, bevor der “Strom kentert”, also noch eine Weile gegen an, klappt das, wie wir erleben konnten. Vor Cuxhaven “läuft” die Elbe eine Weile nach, aber es reichte gerade, um sicher in den Yachthafen zu kommen. Wenn die Bedingungen nicht so günstig sind, wird man im Allgemeinen aber nicht in “einem Rutsch” bis zur Elbmündung kommen. Von Cuxhaven aus segelt man dann auf die Außenelbe, biegt an der Rede nach Steuerbord ab – und Helgoland kommt nach einigen Stunden in Sicht.
Der Wind pfeift durch den Hafen von Helgoland
Im Hafen pfiff der Wind mit Windstärke sieben, aber glücklicherweise hielten die Leinen. Die dicken Ruckdämpfer aus Gummi nahmen die schweren Stöße weg. Wenn es gar nicht mehr ging, haben wir uns ins Meerwasser-Schwimmbad oder in den Lesesaal der Bücherei zurückgezogen. Die Gastronomie auf Helgoland hat sich nicht unbedingt zum Besseren gewandelt, wie wir feststellen mussten. Im Oberland gibt es aber einige nette Lokale, in denen man passabel essen kann.
Die letzte Reise nach Helgoland von Bremerhaven aus liegt nun schon einige Jahre zurück, wie ich in dem Buch “Der Törn vom Haff ins Watt” beschrieben hatte. Von Cuxhaven ist die Strecke doch ein gutes Stück kürzer und die Insel ist schneller zu erreichen. Wir haben uns vorgenommen: Da kommen wir wieder. Denn der Törn bietet schon ein wenig Hochsee auf der Nordsee – vorausgesetzt das Wetter passt. Aber milder als im Ärmelkanal (nachzulesen in dem Buch “Zwei Hamburger segeln nach Harwich“) ist es dort allemal, auch wenn die Elbe eine viel stärkere Strömung zu bieten hat. Mit guter Planung und dem richtigen Wetter lohnt der Besuch aber allemal!
Die Kamera war immer mit an Bord. Meist lag das empfindliche Gerät im Cockpit, wenn wir auf Reisen waren, einigermaßen geschützt unter der Sprayhood, vorne, wo nicht ganz wo viel Wasser hinkam. Das hat die kleine Sony auch bis nach Haparanda und zurück schadlos überstanden. Und auch das Foto-Smartphone, das wenigstens wasserdicht ist, war mit dabei, auch an Land. So kamen über die Jahre Tausende Fotos zusammen, alle bearbeitet, alle fein säuberlich auf dem Rechner sortiert und auf der Festplatte gespeichert.
Doch wie kann man solche Fotos richtig in Szene setzen? Elektronisch, im Netz, auf dem Blog zum Beispiel, ist das ja kein Problem. In Bildergalerien lassen sich eine Menge Fotos zeigen, die dann auf dem Bildschirm eines Tablets, eines Smartphones oder Desktops strahlend leuchten. Aber muss man Fotos nicht auch in Print zeigen? Ist es nicht gerade reizvoll, durch Aufnahmen blättern zu können, Seite für Seite, um einen Eindruck vom Segeln und den Häfen zu bekommen?
In meinen gedruckten Büchern gibt es zunächst einmal Schwarzweiß-Druck. Mit einer Ausnahme: Es gibt eine Ausgabe von “Zwei Hamburger segeln nach Haparanda” mit Farbseiten, das ist diejenige, die im Buchhandel vertrieben wird (ISBN 978-3-7546-3360-1). Doch bei einer Seitengroße von 21 * 14,8 Zentimetern sind die Bilder recht klein.
Wie nur die Bilder aus Haparanda präsentieren?
Also suchte ich nach Möglichkeiten, einen qualitativ ansehnlichen Bildband herzustellen, der gleichzeitig im Verkaufspreis noch erschwinglich ist. Der Markt bietet da eine riesige Auswahl an “Fotobüchern”, doch am Ende sind die meisten davon fragwürdige Angebote. Denn man müsste einen Verkaufspreis zwischen 40 und 50 Euro ansetzen, damit sich die Produktion überhaupt noch einigermaßen lohnt. Die Ausnahme fand sich (wieder einmal) bei Amazon kdp: Der Druckdienstleister dort kann Bildbände produzieren, die einerseits preisgünstig als Taschenbuch gedruckt werden. Andererseits liefert der “Druck in Premiumfarbe” sehr schöne Ergebnisse. Und drittens sind originelle Formate erhältlich, wie ein quadratisches Format mit 21,59 * 21,59 Zentimetern, das groß genug für einen kleinen Bildband erscheint.
Ich machte das Layout und wählte die Bilder aus, eine abwechslungsreiche Mischung aus Aufnahmen unserer Segeltörns nach Skandinavien, mit unserem neuen und unserem alten Segelboot. Dann brachte ich noch ein ganz klein wenig Bildbearbeitung mit ein und bestellte erneut einen Probedruck. Dieser war ziemlich überzeugend: Die Farbwiedergabe ist gut, die Druckqualität ordentlich und die Preisgestaltung des Farbdrucks so, dass ich das Buch mit 123 Seiten für einen Preis von 21,95 Euro anbieten kann – was für ein Taschenbuch nicht günstig, für einen kleinen Bildband aber sehr, sehr günstig ist.
Die Küste aus der Seglerprespektive
Also “mischte” ich die Fotos wieder etwas anders ab, pausierte etwas, layoutete neu, arrangierte neu und schrieb schließlich die Bildunterschriften. Herausgekommen ist am Ende ein schöner Bildband, der auf seinen 123 Seiten über 170 Fotos präsentiert. Wer gerne einmal sehen möchte, wie es da oben in Skandinavien, an der Küste Norbottens im Bottnischen Meerbusen oder im Oslofjord aus der Seglerperspektive aussieht, der sollte einen Blick darauf werfen. Den Bildband gibt es in einer Ausgabe mit deutschen Texten (Bestellmöglichkeiten gibt es hier) und mit englischen Texten (hier geht es zur Bestellung). Viel Spaß beim Stöbern!
Mit gewaltiger Kraft rauscht die Elbe dem Segelboot entgegen, nur ganz langsam geht es an Neuwerk vorbei in der Mündung der Elbe. Da braucht es Stunden, um von Scharhörn nach Cuxhaven zu segeln. Dazu bricht auch noch die Dunkelheit herein.
Immer wieder hört man es, immer wieder liest man es: Die Elbe gegen den Strom hinauf zu segeln, sollte man besser sein lassen. An Land hören sich solche Ratschläge gut an. Was aber, wenn es gar nicht anders geht? Und wenn dazu noch die Dunkelheit hereinbricht, auch wenn vor der Ansteuerung Cuxhavens bei Nacht gewarnt wird? Manchmal muss man da durch, allen klugen Ratschlägen zum Trotz.
Auf dem Weg aus dem Wattenmeer brauche ich Zeit, bis die Flut kommt und wieder so viel Wasser in den kleinen Hafen läuft, dass “Svanen” wieder schwimmt. Vorher saß sie auf dem weichen Schlick auf. Doch das zieht sich den ganzen Vormittag über hin. Eigentlich zu spät, kann ich sicher ablegen, ohne gleich im Hafen stecken zu bleiben. Bis Scharhörnriff ist es eine sehr schnelle Fahrt: Frischer Wind weht aus der richtigen Richtung, alle Segel sind oben, ich komme auf ein Tempo von 6,8 bis 7 Knoten durchs Wasser. Immer wieder ist es erstaunlich, wie schnell so ein älterer Langkieler sein kann, wenn genug Wind weht.
Vor Scharhörn ist alles noch in Ordnung
Doch das war die Geschwindigkeit durchs Wasser, nicht über Grund – eine Unterscheidung, die in Tidenrevieren wie der Nordsee ja essenziell ist. Also: “Svanen” fährt nur mit fünf Knoten über Grund, weil die Flut nun gehörig in die Deutsche Bucht hineinfließt. Die sieben Knoten kann ich auf der Logge beobachten und mich an diesem eher theoretischen Wert erfreuen. Aber immerhin: Würde ich nur sechs Knoten durchs Wasser laufen, würden nur noch vier über Grund übrig bleiben.
Man braucht auf der Nordsee einfach ein schnelles Schiff, gerade wenn man gegen die Tide unterwegs ist. Bis Scharhörn geht das alles noch. Beim “Einbiegen” auf die Außenelbe fahre ich bei schönstem Sonnenschein, es ist Nachmittag geworden, an einem Forschungsschiff des BSH vorbei. Seine Beiboote, die “Komet 2” und “Komet 3” tasten in langen Schleifen die Sandbänke ab, um diese zu vermessen.
Neben dem Fahrwasser ist genug Platz
Es folgt der dichte Schifffahrtsverkehr auf der Außenelbe, in Richtung Cuxhaven, aber auch hinaus aufs Meer. Tanker passieren mich, Containerschiffe, davon einige richtig große, auch die Helgolandfähre kommt vorbei gedampft. Ein großer Pluspunkt: Der Streifen neben dem eigentlichen Fahrwasser ist so breit, dass man als Segelboot noch gut dort segeln kann und mit dem Fahrwasser zwischen den roten und grünen Tonnen gar nicht in Berührung kommt. Es sei denn, man müsste kreuzen.
Doch die Windrichtung stimmt noch, ich kann weiter mit “Svanen” auf der Außenelbe segeln. Aber was ist das? Als die Insel Scharhörn mit ihren Sandbänken an Steuerbord auftaucht, wird der Strom stärker. Jetzt steht er mit 2,5 Knoten gegen mich. Was macht das noch über Grund? Na ja, da bleiben noch 3,5 Knoten übrig. So schnell segelt das Boot nicht mehr, der Wind hat etwas nachgelassen. Aber mit 3,5 Knoten kann man auch Cuxhaven erreichen, denke ich mir, es dauert eben nur etwas länger.
Es sollte sich zeigen: von Wegen. Die Strömung steigt an, immer mehr Wasser fließt aus der Elbe hinaus aufs offene Meer. Hinter Scharhörn sind es erst 3, dann 3,5 Knoten gegen an. Ich muss die Maschine starten, um beim Segeln etwas nachzuhelfen. So komme ich zwar wieder auf sieben Knoten durchs Wasser, von denen aber nur noch 3,5 Knoten übrig bleiben. In solchen Momenten erübrigt sich natürlich jede Diskussion, ob Segel oder Maschine – man braucht schlicht alles, was Tempo macht.
Es bleibt kaum noch Tempo über Grund übrig
Es wird langsam dunkel, die Sonne schickt sich an, über dem Horizont im Westen unterzugehen. Die Schiffe haben bereits ihre Positionslaternen eingeschaltet. Es soll hier eine Stelle im Watt geben, wo Skipper, die es nicht mehr gegen den Strom nach Cuxhaven schaffen, übernachten könnten. In einem Pril sicher festmachen, das hätte schon etwas. Aber vor mir taucht doch bereits Cuxhaven auf, es scheint ja schon zum Greifen nahe. Man sieht die Küste, an Steuerbord Neuwerk, dort hinten den langen Leitdamm, der neben dem Strand aufs Meer hinauf führt.
Als ob die Elbe das geahnt hätte, als ob sie einem eine besonders kniffelige Aufgabe stellen wollte: Sie dreht auf, erst sind es 4,5 und dann satte fünf Knoten Strömung gegen an. Von meinen schönen sieben Knoten bleiben nur noch zwei übrig. Einige Minuten später fahre ich nur noch 1,6 Knoten über Grund. Wie lange soll die Fahrt bis zum sicheren Hafen jetzt noch dauern? Der Plotter kennt die Ankunftszeit auf der Route: 22.30 Uhr zeigt er an, obwohl es doch gerade einmal 19 Uhr ist und das Land schon so nahe erscheint. Aber er schätzt ja nur die Entfernung gegenüber der Fahrt über Grund, und so bleibt Hoffnung, dass der Strom noch nachlässt.
Die Navigationslichter gehen auf der Elbe an
Jetzt bin ich wenigstens gewappnet und weiß, was da auf mich zukommt. Glücklicherweise lässt der Strom wieder ein wenig nach. Aber mehr als 2 Knoten über Grund sind hier nicht mehr zu machen. Die Sonne ist längst versunken, ich schalte die Navigationslaternen ein. Erst geht die “Dampferlaterne” am Mast nicht an, dabei hatte ich doch jüngst erst die Kabel kontrolliert. Zunächst muss die Deckbeleuchtung dafür herhalten, die auch nach vorne abstrahlt. Dann aber, das erste positive Zeichen, geht sie doch an: “Svanen” leuchtet hell in der Elbmündung, rot, grün und weiß.
Ein Blick auf die Instrumente: 1,6 Knoten (links) macht “Svanen” nur noch über Grund, 6,8 sind es durchs Wasser
Unheimlich ist das ganze eigentlich nicht: Zwar wird es jetzt Nacht, aber die Schiffe und die Seezeichen sind sehr deutlich auszumachen. Es blinkt und blitzt von allen Seiten und dazwischen sieht man sehr schön die anderen Schiffe. Zumal kein Freizeitverkehr um diese Zeit hier noch unterwegs zu sein scheint, nur die Berufsschifffahrt, die kontinuierlich an mir vorbeizieht. Jetzt noch schnelle Motorboote, die von allen Seiten kommen, das müsste doch nicht sein.
Einen Frachter auszumachen, seine Richtung zu bestimmen und die Geschwindigkeit abzuschätzen fällt erstaunlich leicht bei Nacht. Ich denke an die Warnung im Törnführer: Cuxhaven solle man nicht bei Nacht anlaufen. Aber wie schon oben geschrieben: Manchmal bleibt einem einfach nichts anderes übrig.
In den Flussmündungen ist die Strömung entscheidend
Bei Segeltörns auf der Nordsee muss man einfach sehr viele Faktoren “unter einen Hut” bringen. Auf der Ostsee kümmert man sich in erster Linie um das Wetter, also um die Windstärke, die Windrichtung, die Wellenhöhe und vielleicht noch darum, ob es regnet oder trocken ist. So kann man sehr komfortabel bis nach Schweden und Finnland segeln. Und selbst wenn es in den Oslofjord geht, wie in dem Buch “Vom Öresund zum Oslofjord”, sind die navigatorischen Bedingungen viel einfacher als hier auf der Nordsee.
Zum Wetter kommen dann eben noch Ebbe und Flut dazu, die bestimmen, wann man flache Häfen im Watt anlaufen kann und wann man wieder aus ihnen herauskommt. Und in den Flussmündungen zwischen Eider und Ems ist natürlich die Strömung noch entscheidend. Alles haben wir schon erlebt: Mit bis zu zehn Knoten kann man die Elbe hinab rauschen, wenn man mit dem Strom segeln kann.
Schöne Fahrten haben wir vor einigen Jahren von Bremen aus unternommen, die ich in “Der Törn vom Haff ins Watt” schildere. Aber jetzt ist es unangenehm, gegen anzufahren. Auf die Tageszeit, sprich, Dunkelheit, kann man da nicht mehr viel Rücksicht nehmen. Hier kommt noch dazu, dass das Wetter sich in den nächsten Tagen noch verschlechtern soll. Es war also zwingend notwendig, sich auf die Reise zu machen, selbst wenn der Strom dagegen steht.
Gewaltige Kräfte wirken auf der Elbe
Zum Segeln ist jetzt zu wenig Wind, und die Fahrtrichtung geht genau in den Wind hinein. Bei Dunkelheit im Fahrwasser kreuzen, das muss ich mir doch schenken. Ich berge die Segel: Die Rollfock wird einfach aufgerollt, das Groß fällt auf den Baum und wird dort gut festgezurrt. Ich muss die Drehzahl vom Diesel erhöhen, dann schafft er es noch, das Boot auf 6,8 Knoten zu bringen.
Bei Nacht sind die Seezeichen gut zu erkennen, wie die Langzeitbelichtung zeigt
Unheimlich scheinen die Kräfte, die hier herrschen: Mit großer Bugwelle fährt “Svanen” in den Strom, der mit immer noch fünf Knoten vorbeirauscht. Darin mache ich noch 1,8 Knoten Fahrt über Grund. Langsam, nur ganz langsam, schiebt sich “Svanen” Cuxhaven näher. Stunde um Stunde vergeht so auf der Außenelbe. Endlich ist der Leitdamm vorüber und die Kugelbake taucht an Steuerbord auf. Dabei ist sie kaum auszumachen: Man sieht nur ein dunkles Gerüst in den Nachthimmel ragen. Dazwischen funkeln einige Besucher mit ihren Taschenlampen herum, was auf dem Wasser schon etwas irritierend sein kann. Eigentlich schade, dass die Bake nicht beleuchtet ist, anders als die vielen “echten” Seezeichen und Tonnen. Ich bin froh, als ich mitten im rauschenden Wasser die Kugelbake passiere.
Jetzt ist es nur noch ein kurzes Stück bis zum Yachthafen, gleich hinter dem Fährhafen. Das geht auch noch vorüber, hier auf der dunklen Elbe. Unheimlich ist es noch einmal, bei der starken Strömung in die Einfahrt zum Yachthafen einzubiegen. Zack, Ruder herum geschwenkt, das Schiff dreht ein und schlagartig lässt der Strom nach.
Ein freundlicher Segler nimmt die Leinen an
Ich fahre noch die Stege entlang , bis ein freundlicher Segler aus den Niederlanden auf einen Platz deutet: “Hier ist noch frei”, ruft er, und hilft, die Leinen anzunehmen. Die Vindö ist schnell vertäut, am Schwimmsteg an der Seite und vorne. Das Schiff liegt fest. Langsam lässt die Anspannung nach. Es ist tatsächlich 22.30 Uhr geworden, wie ich beim “Schnack” mit dem Holländer feststelle. Um 17.00 Uhr hatte ich Scharhörnriff erreicht. Meine Güte, was hat mir die Elbe da Wassermassen entgegengeworfen. So viel Strömung, dass ich buchstäblich nach Cuxhaven gekrochen bin. Fünfeinhalb Stunden für die Anfahrt auf der Außenelbe.
Doch dieses Erlebnis hat auch etwas Befreiendes: So sieht es also aus, wenn man gegen die Strömung die Elbe hinauffährt. So ist also der schlimmste Punkt, wenn der Wind nicht mehr passt zum Segeln, wenn der Strom gegen an seine höchste Geschwindigkeit erreicht und es auch noch Nacht wird. Das ist machbar, denke ich, wenn auch knapp. Was soll da noch passieren?
Nun, nicht so ganz. Jeder Nordseesegler wird wissen, was da noch so alles passieren kann. Zum Beispiel, wenn der Wind noch gegen den Strom gestanden hätte und sich fiese Wellen in der Elbmündung aufgebaut hätten. Dann wäre die Anfahrt noch wesentlich aufreibender geworden. Auch das ist uns passiert – aber das ist eine andere Geschichte. Nur so viel: Es ging, weil es manchmal einfach gehen muss.
»Vom Öresund zum Oslofjord: Eine literarische Nordlandfahrt unter Segeln« geht schrittweise in den Vertrieb. Hier gibt es die Übersicht, wo das neue Buch bereits erhältlich ist. Doch was steckt eigentlich hinter diesem Buch, mit dem ich meine “Segel-Trilogie” komplettiere, im Anschluss an »Der Törn vom Haff ins Watt« und »Zwei Hamburger segeln nach Haparanda«?
Der Rahmen ist der gleiche wie bei den beiden ersten Segelbüchern: Im Mittelpunkt steht ein längerer Törn, den wir mit unserem Segelboot unternommen haben, angereichert um Erlebnisse vor und während der Fahrt. Dazu gab es im Haparanda-Buch noch praktische Tipps für Segler, im »Haff ins Watt«-Buch die Hafentipps. Das ist in »Vom Öresund zum Oslofjord« anders. Dieses Buch geht einige Schritte weiter: Ich verbinde Werke der klassischen skandinavischen Literatur mit den Segelerlebnissen. Der erste Titel, der mir durch den Kopf ging, war dann auch “Segeln mit Shakespeare”. Aber es gibt ja noch mehr als Shakespeare zu entdecken in diesem Buch.
Von Holger Danske und Prinz Hamlet
Holger Danske in den Katakomben von Kronborg
Dahinter stecken, ich gebe es gerne zu, Schloss Kronburg und die kleine Meerjungfrau. Bei ihr hatten wir in Kopenhagen vor einigen Jahren festgemacht, als wir mit dem Boot die dänische Hauptstadt angelaufen hatten. Da denkt man unweigerlich an die Geschichten von Hans Christian Andersen, ebenso war es beim Besuch des Schlosses am Ausgang des Öresundes. Denn dort unter im Keller schläft die Sagenfigur »Holger Danske«. Aber auch mit »Hamlet, dem Prinzen von Dänemark« hat das Schloss einen starken literarischen Bezug, schließlich hat William Shakespeare das Drama ganz bewusst hier angesiedelt.
Mit dem Segelboot zu fernen Zielen reisen, das lässt oft genug reichlich Raum für Lesen – etwa, wenn das Boot bei günstigem Wind übers Meer pflügt oder wenn man abends im Hafen festgemacht hat. Deshalb liegen die Verbindungen zu Selma Lagerlöfs »Nils Holgerson« an der schwedischen Küste oder Hendrik Ibsens »Peer Gynt« im Oslofjord auf der Hand. Das Buch sollte mehr als ein Törnführer mit praktischen Segeltipps werden, ich wollte eine Art »Crossover« wagen und das Genre der klassischen Reiseerzählung oder gar des nüchternen Törnberichts für Segler erweitern.
Große Städte in Reichweite
Die Einfahrt nach Göteborg
Der zweite Grund, dieses Buch zu schreiben: Wir sind zwar im vergangenen Jahr die lange Strecke nach Finnland gesegelt, eine fantastische Reise, aus der dann »Zwei Hamburger segeln nach Haparanda« wurde. Aber noch besser als im Bottnischen Meerbusen kennen wir uns an der schwedischen Westküste aus, im Oslofjord und natürlich im Öresund – dorthin hatten uns zuvor schon mehrere Reisen mit dem Segelboot geführt. Orte wie Marstrand oder die Insel Orust sind uns wohl vertraut (schließlich wurde dort auch unsere Vindö einmal gebaut). Das musste einfach in einem weiteren Buch münden. Zumal dieser Törn mit Kopenhagen, Göteborg, Oslo und Aarhus gleich vier interessante Städte vorstellt, die in Reichweite für deutsche Seglerinnen und Segler liegen.
Lange habe ich über dem Buchcover gebrütet. Ich wollte gerne unser Segelboot und das mächtige Schloss Kronborg aus dem Cover zeigen. Natürlich gibt es solche Fotos nicht von »der Stange«. Kurz hatte ich mit dem Gedanken gespielt, einen Marinemaler zu kontaktieren, der für ein kanadisches Ehepaar ein Buchcover entworfen hatte – auf diesem segeln die beiden Nordamerikaner nämlich mit ihrer Yacht an Kronborg vorbei. Das verwarf ich aber wieder. Da wir auch keine Kameradrohne unser Eigen nennen, gab es noch die Möglichkeit, eine ganz klassische Montage anzufertigen.
Schloss Kronborg als Aquarell
Das Cover des Buches ist fast fertig
Dazu wurde ein Foto, das ich von Bord von Schloss Kronborg gemacht hatte, bearbeitet. In das Bild wurde eine Aufnahme der Vindö hineingesetzt. Um diesem Motiv einen besonderen Schliff zu verleihen, wurde das Bild anschließend gleich dreimal gefiltert: So verschmolzen die Bilder miteinander und das Bild erhielt das Aquarell-Erscheinungsbild. Ich finde, es ist ein sehr interessantes, einzigartiges Motiv geworden. Darauf kam dann die typische Schrift für Titel und Untertitel und die blaue »Svanen«-Banderole an der Unterkante.
Jetzt befindet sich das Buch in der Auslieferung, Stück für Stück. Ich hoffe, dass es Ihnen als Leserin und Leser genauso viel Spaß machen wird, wie es mir gemacht hat, das Buch zu schreiben. Auch wenn das Werk mit seinen zwei Handlungsebenen ein etwas ungewöhnlicher Reisebericht ist – aber einer, der Freude macht.
Der „Schmetterling“ ist eine schöne Segelstellung, sobald der Wind genau von hinten kommt. Doch er ist nicht stabil, gerade die Fock fällt gerne ein, sobald der Wind auch nur ein wenig dreht. Abhilfe schafft der Spinnaker-Baum.
So eine Vindö, die braucht Wind. Das Schiff ist ein schwerer Langkieler mit seinen über dreieinhalb Tonnen und es muss schon etwas pusten, bevor sie in Gang kommt. Bei Windstärke Drei gleitet sie noch gemütlich vor sich hin, erst ab vier bis fünf Beaufort kommt Tempo und damit Spaß auf. Dann allerdings hängt sie so manche moderne Konstruktion ab, was zeigt: Langsam ist das Schiff nicht. Sie braucht eben nur etwas mehr Wind.
So hat sich die Skala quasi verschoben. Was früher, auf unserem alten, viel leichteren Boot Windstärke Drei war, ist jetzt quasi Vier und aus Vier wurde Fünf. Das lässt viel mehr Raum nach oben. Doch man sollte eine Reserve einplanen, sollte der Wind stärker werden und beispielsweise in den Bereich sechs gehen.
Der Wind frischt auf, kommt aber von Achtern
Das Großsegel und die Fock stehen gegensätzlich. Allerdings: das Groß wird auf Mast und Rigg gedrückt, was nicht gut ist.
Neulich auf der Ostsee begann der Segeltag mit wenig Wind, viel mehr als Zwei war es nicht. Doch nach einigen Stunden kam langsam ein wenig Wind der Stärke Drei auf, der gelegentlich in den Vierer-Bereich ging. Aber er drehte und kam genau von Achtern, der Wind blies also über das Heck des Bootes hinweg.
Manche Segler greifen jetzt gern zum „Schmetterling“: Das Großsegel wird in die eine Richtung aufgemacht, die Fock in die andere. Fast wie ein alter Rahsegler kann das Boot nun die maximale Menge Wind „abgreifen“, die es vorwärtstreibt. Doch so ein Schmetterling ist instabil, schon bei leichten Winddrehern fällt die Fock in sich zusammen. Zudem besteht immer die Gefahr, dass der Großbaum umschlagen könnte und über das Cockpit rast. Und, Fahrtensegler wissen das: Ein Großsegel, das auf das Rigg und den Mast gedrückt wird, scheuert und nutzt sich ab. Deshalb ist der Schmetterling nur etwas für einen Segelnachmittag, nicht für ganze Tage.
Abhilfe schafft der Spinnaker-Baum
In der „Segelgarderobe“ fehlt bei diesem Schiff noch ein Spinnaker oder auch ein Gennacker, also viel Segelfläche für leichte Winde. Aber der Spinnaker-Baum, der liegt bereit an Decke. Also schnell einen „stabilen Schmetterling“ gebastelt. Dazu wird der Spinnaker-Baum am Mast eingehängt. Weil er lang ist, passt das andere Ende gerade so eben noch auf die Fockschot. Gut, dass der Baum trotz seiner Stärke leicht ist, so lässt er sich noch bequem bewegen.
Die Fockschot wird lose gelassen und nach dem Einhängen angezogen. Wenn man schon auf dem Vorschiff ist kann man auch gleich, mit einer starken Leine ausgerüstet, das zweite Problem beseitigen und dem Baum sichern: Mit einem sogenannten Bullenständer, eine Verbindung von der Spitze des Baums zur Klampe auf dem Vorschiff. Jetzt ist auch die Gefahr des Umschlagens gebannt.
Das Ergebnis: Nur mit der ausgebäumten Fock pflügte „Svanen“ mit 4,2 Knoten durch die Ostsee. Das ist doch schon etwas. Das Großsegel hat dann noch etwas, aber nicht so viel nicht mehr gebracht: 0,8 Knoten zusätzlich. Aber immerhin fuhr sie nun mit 5 Knoten bei leichten Winden über die See. Das ist eine ordentliche Reisegeschwindigkeit. Noch dazu blieben die Segel schön stabil, nichts knatterte, killte oder fiel ein. Ein „stabiler Schmetterling“ also.
Schnell ist der Schmetterling wieder abgebaut
Leider war die ganze Aktion auf dem Weg nach Südschweden nicht von langer Dauer. Schon nach zwei Stunden schlief der Wind wieder ein. Da dümpelte sie nun vor sich hin, die Vindö, die Logge sank und sank und blieb schließlich bei mageren 1,6 Knoten.
Da das Fahrwasser nun enger wurde, war die Entscheidung leicht: Runter mit dem Spi-Baum, runter mit dem Bullenständer, runter mit der Fock und dem Großsegel. Runter mit allem und den Knopf gedrückt: Der Motor startet, die Fahrt wird unter Maschine fortgesetzt.
Weil aber auch der “stabile Schmetterling” dem Großsegel zu schaffen macht, sollte er, wie oben beschrieben, nur kurzzeitig aufgezogen werden. Und die Geschwindigkeitsmessung zeigt: Nur unter Fock geht es auch schon ganz ordentlich weiter. Insofern ist eine einzelne, große Fock, die mit dem Spinnakerbaum ausgebäumt wird, der richtige Kompromiss aus Tempo, Komfort und Sicherheit.
Wenn der Wind passt, die Strecke gut gewählt ist und dann noch die Sonne scheint, wird aus einem kleinen Ausflug ein perfekter Törn. Auch wenn einem dabei Kuriositäten begegnen, zum Beispiel in dem Ort, der besser “Damp 2000” heißen sollte.
Die Sonne steht schon hoch am Himmel, an diesem sonnigen Samstag im September, das Boot ist aufgeklart. Doch wohin? Bei so günstigen Bedingungen, ein konstanter Wind der Stärke drei weht von Ost, scheint vieles möglich. Am liebsten würde ich nach Dänemark durchstarten, Langeland liegt etwa sechs Stunden entfernt im Nordosten.
Doch die Reise soll nach Damp gehen, eine fast perfekte Entfernung mit vier Stunden geschätzter Segelzeit. Dahin ist sogar ein Tagesausflug möglich, wenn die Bedingungen stimmen. Mit Damp verbindet mich Zuneigung wie Abneigung zugleich. Die Zuneigung, weil wir hier unser erstes Segelboot erworben hatten und es auch eine Saison dort lag, eine kleine Kelt 620. Die war trotz ihrer Länge von 6,20 Meter gar nicht langsam, weil sie eine ordentliche Segelfläche hatte. Liebevoll gepflegt von ihrem Vorbesitzer war das kleine Schiff auch.
“Damp 2000” wäre der passende Name, auch heute
Der Autor an der Pinne. Foto: flo
Doch bei Damp ist auch etwas Abneigung im Spiel: Die gigantischen Betonblöcke mit Hotel und Klinik, der Hafen, der wie eine Bühne zur Unterhaltung der Kurgäste eingekeilt zwischen den Hochhausfluchten liegt. Eigentlich gefällt mir der ursprüngliche Name, “Damp 2000”, viel besser, denn er ist ein Hinweis auf die Entstehung dieses Groß-Ferienortes in den 1970er Jahren, als das Jahr 2000 noch weit weg war und sich extrem futuristisch anhörte. Auch sparte man damals noch nicht mit dem Betonmischer und schuf im Stil des Brutalismus gewaltige Hochhausformen. Das Marketing des Urlaubsortes hat das “2000” wohl wissend schon lange aus dem Namen gestrichen.
Immerhin: Damp hat es geschafft, im Gegensatz zu vielen anderen Groß-Urlaubssiedlungen an der Ostsee, recht gut im Geschäft zu bleiben. Der Beton wirkt immer noch gepflegt, das Schicksal von Orten wie Wendtorf beispielsweise, wo erst die Leerstände und dann die Abrissbirne ins Zentrum kamen, blieb ihm erspart. Alles in allem ein lohnendes Ziel für einen kurzen Trip.
Also, Segel setzen und Kurs Richtung “Damp 2000”. Vorher noch ein Zwischenstopp an der Yachttankstelle Strande, da der Diesel etwas Nachschub braucht und man ja nie wissen kann, ob der Wind nicht doch einschläft. In Strande macht jedes Anlegen Spaß, weil der hilfsbereite Tankstellenwart die Leinen annimmt und neben dem Kraftstoff in seinem Kassenhäuschen nützliche Dinge wie kalte Getränke und Tageszeitungen vorhält.
Vor dem Bülker Leuchtturm geht dann das Großsegel hoch und die Fock wird ausgerollt. Die Vindö nimmt Fahrt auf, passiert die Spitze mit dem Leuchtturm und steuert dann schnurgerade auf “Damp 2000” zu. Mit ein wenig Trimm kann man die Pinne feststellen und sie fährt fast von allein geradeaus. Der Wind ist gemächlich, reicht aber, um das Schiff auf 4,5 Knoten zu bringen. Angesichts der perfekten Bedingungen, die Sonne knallt vom Himmel, die Wellen wiegen das Schiff ganz sanft, die Eckernförder Bucht zieht vorbei, kann diese Fahrt ruhig etwas länger dauern.
Die Urlaubsgäste flanieren in Damp mit Abstand
Ein Vorteil an “Damp 2000” sind die Gastliegeplätze, die an einem schönen Holzsteg noch vor dem eigentlichen Hafen liegen. Dort ist das Schiff wenig später gut festgemacht. Auf der Promenade herrschen die gleichen Bedingungen wie im Corona-Sommer überall an der Küste: Menschen flanieren mit Abstand, gehen mit Masken in die kleinen Geschäfte, bummeln vor sich hin. Eigentlich auch fast perfekt, man kann ja froh sein, dass es wieder Tourismus gibt.
Doch am Abend kommt Bewegung in die Szenerie. Am Strand sind einige Bretterverschläge aufgebaut, auch so etwas wie eine Bühne ist zu erkennen. Davor sammelt sich eine Schlange, die länger und länger wird. Kaum Abstand halten die Wartenden, einige ziehen sich etwas entnervt die Masken vom Gesicht. Ein Wärter mit Megafon ermahnt sie, die Masken sofort wieder aufzusetzen. Aus sicherer Entfernung vom Steg kann man verfolgen, wie die Urlauber in der Ansammlung aus Bretterhütten verschwinden. Dann steigt Trockeneis-Nebel auf, gewaltige Bässe dröhnen, bunte Lichter blitzen zwischen den Holzverschlägen.
Eine Nacht in “Damp 2000”. Foto: flo
Ein Wikinger-Spektakel scheint da zu steigen. Das muss natürlich dramatisch sein, blutrünstig und mit vielen Kämpfen. Über die Lautsprecher werden Flüche und Kampfgeräusche übertragen. Das mutet reichlich skurril an und nervt nicht wenige im benachbarten Yachthafen. Aber offenbar braucht es solche Spektakel, um die Urlaubersiedlungen voll zu bekommen. Schließlich will man seinen Gästen auch Live-Unterhaltung bieten. Was auch immer die dazu bewegen mag, dicht gedrängt anzustehen und sich dann ein solches Spektakel anzusehen. Gegen zehn Uhr ist der Spuk auch wieder vorbei, die Urlauberkolonne zieht davon, jetzt auch mit Abstand.
Eine sternenklare Nacht im Hafen Damp
Eine sternenklare Nacht folgt, in der es doch empfindlich kalt wird. Es ist eben Mitte September. Am nächsten Morgen rätsele ich wieder über die Steuerung der russischen Standheizung an Bord, die es nachts warm und nach Sonnenaufgang brüllend heiß unter Deck machte, obwohl sie eigentlich herunterregeln sollte. Besser zu viel als zu wenig, scheint die sibirische Devise in dem kleinen Kontrollteil zu sein, eine offenkundig unlogische Ansammlung von kleinen Tastern und Blinkleuchten. Antworten gibt die in brüchigem Deutsch und ebenso brüchigem Englisch verfasste Bedienungsanleitung nur spärlich. Immerhin arbeitet der kleine Heizer ansonsten äußerst zuverlässig in kalten Nächten.
Das Meer ist mit 17 Grad nicht mehr jedermanns Sache, das Schwimmbad hat noch nicht wieder geöffnet. Also bleibt nur die “Seglerdusche” im Keller eines Betonhauses zur Erfrischung. Die ist immerhin einen Hauch gepflegter als in anderen Häfen, obwohl einem in dem engen Kellerräumen doch etwas corona-getriebene Klaustrophobie erfassen könnte. Geschafft, wenig später ist man vermeintlich unbeschadet wieder an der frischen Luft.
Und während im Hafen Boot für Boot die frühen Segler ihre Leinen losmachen, lassen wir es mit einem gemütlichen Frühstück angehen, bevor wir uns ebenfalls wieder auf den Rückweg machen. Wieder perfekte Bedingungen: Ein konstanter Wind von Ost, so um die Windstärke 4, treibt das Boot schneller als gestern noch an. Die Windrichtung reicht gerade noch, um ohne Kreuzen den Bülker Leuchtturm zu erreichen. Und es ist voll auf dem Wasser: Im Norden sieht man Dutzende Segel, im Osten und im Süden ebenfalls.
Eine Stunde Revierfahrt in der Förde
Der “Schmetterling” auf der Förde. Foto: flo
Auch dem letzten Abschnitt in der Kieler Förde kommt der Wind genau von achtern – sprich: von hinten. Zeit für den “Schmetterling”. Beide Segel werden gegenüber gefahren, der Wind treibt das Boot vor sich her. Jetzt muss nur noch umsichtig manövriert werden, da die Förde an diesem Sonntagnachmittag voll mit kreuzenden Booten ist. Und zwischendurch schiebt sich immer wieder ein Frachtschiff oder eine Fähre vorbei.
Manchmal ist es schon etwas umständlich, dass unser Hafen so tief in der Förde, mitten in der Stadt liegt, weil man immer noch eine gute Stunde für diese “Revierfahrt” drauflegen muss. An diesem Sonntag ist das Genuss, immer an der Pinne, um den “Schmetterling” zu halten, denn die Segel fallen schnell ein, wenn man ein paar Grad aus dem Kurs geht. Im Hafen wartet gleich die nächste Menschenansammlung, eine Demonstration “für die Freiheit der Individuen” hat sich auf der Wiese oberhalb der Anlegestelle, flankiert von Polizei, versammelt. Doch wer die Freiheit sucht, der findet sie auch in Corona-Zeiten – auf der Ostsee, zum Beispiel.
In Warnemünde auf der Promenade ist die Hölle los. Menschen bummeln in Gruppen auf und ab, drängen sich in die Geschäfte, Mindestabstand scheint ein Fremdwort zu sein. Das ist der Sommerurlaub 2020 in Corona-Zeiten. Unser Segelboot liegt unterdessen in der Hohen Dühne, auf der anderen Seite der Warnow. Das ist eine andere Welt: Schätzungsweise nur die Hälfte der Liegeplätze ist belegt, die Promenade ist leer, im Hotel haben nur einige Restaurants geöffnet.
Mit gefällt das ganz gut, habe ich doch einige Videokonferenzen auf dem Plan, und da passt die etwas leere, “businesslike” Atmosphäre in der Hohen Düne gut. Die Kajüte muss ich abdunkeln, die Lüftung voll aufdrehen, während die Sonne auf das Kajütdach knallt, dafür funkt die LTE-Verbindung weitgehend stabil. Ein schnelles Wlan mit dem man solche Konferenzen durchführen könnte ist, nebenbei bemerkt, in fast allen Yachthäfen nicht vorhanden. Aber das schwimmende Büro ist mit dem Laptop auf der Ostsee einsatzbereit.
Mit dem Segelboot die Küste entlang
“Svanen” hat viel Platz in der Hohen Dühne
In diesem Sommer führt uns der Törn von Kiel aus nach Mecklenburg, die Ostseeküste entlang, bevor wir von Warnemünde abbiegen und über Gedser, den Guldborg-Sund, Nykoebing-Falster und Femoe in den großen Belt abbiegen. Eigentlich sollte es ja nach Schweden gehen, aber daran war angesichts der Quarantänebestimmungen für Urlaubsrückkehrer nicht zu denken.
Dänemark hat den Bogen raus, könnte man sagen. Obwohl es im Alltag etwas mehr Freiheiten gibt, keine Maskenpflicht etwa, liegen die Infektionszahlen etwas niedriger als bei uns. Anders als in Warnemünde werden in den Städten die Abstände eingehalten, in Geschäften, Cafes und Restaurants stehen Desinfektionsmittel bereit. In Nykoebing-Falster begrüßt uns der Bademeister des örtlichen Hallenbades hocherfreut: “Endlich Kundschaft” sagt er und führt durch das kleine, hübsche und saubere Bad, während es draußen in Strömen regnet.
Auch wenn es sicher ist, mit dem Segelboot zu reisen, gibt es Schwachpunkte in Corona-Zeiten: In den deutschen Ostseehäfen hört die Sicherheit in den Häfen oft auf, genauer gesagt in den sanitären Anlagen. Waren diese schon vor Corona oftmals ein Schwachpunkt, was die Sauberkeit angeht, fällt das jetzt besonders auf. Viele sind nach wie vor voll und ungepflegt. In einem Hafen in Mecklenburg gebe ich es auf: Lieber gleich ins Meer springen. Wenn irgendwo Infektionsgefahr lauert, dann in diesen Anlagen. Für die überaus gepflegte Hohe Dühne trifft das glücklicherweise nicht zu.
Sicherheit ist in dänischen Häfen größer
Das wird in Dänemark aber meist anders gehandhabt: Dort sieht man tatsächlich drei Mal am Tag Reinigungskräfte die gesamten Anlagen desinfizieren. Penibel wird auf Sauberkeit geachtet. Trotzdem sind die Häfen oft leer. Aus vergangenen Törns wissen wir, dass es mitten im Sommer schwierig sein kann, nach 18 Uhr einen Hafen anzulaufen, weil die meisten Liegeplätze belegt sind. Jetzt finden wie in den schönsten Häfen rund um Fünen eigentlich immer freie Plätze. Einzig Juelsminde und Middelfahrt sind voller.
Der Skipper an Bord.
In einem großen Bogen rund um Fünen führt uns die Reise über den Kleinen Belt nach Kiel zurück. Assens und dann der Als-Sund nach Sonderborg stehen noch auf dem Programm. Dazwischen gibt es reichlich stürmisches Wetter mit Regenschauern und viel Wind. Das ist kein Problem mit unserer Vindö, einzig wenn der Autopilot nicht mehr zuverlässig arbeitet, wird das Steuern bei Windstärke 6 etwas anstregend. Dafür sind wir schnell.
Mit dem Segelboot unterwegs zu sein scheint das ideale Verkehrsmittel in diesen Corona-Zeiten zu sein: “Social Distancing” ist auf dem Meer nun wirklich kein Problem, man reist aber in enger Verbindung zur Natur und kann nach Herzenslust Häfen anlaufen, zumindest an der Ostsee, in Deutschland und Dänemark.
Bei einer Vindö muss man im Winter zu Schleifpapier und Lack greifen, denn die Holzteile außen wollen einen schönen UV-Schutzüberzug bekommen. Daran haben wir uns gewöhnt, doch in diesem Winter stand eine besondere Aufgabe an: Weil irgendwie Feuchtigkeit unter das “Cockpitsüll”, also die runde Einfassung der Plicht, gekrochen ist, drohte das Holz zu rotten und schwarz zu werden. Den Grund erfuhr ich im Vindö-Forum: Die Teakleiste über dem Cockpitrand ist nicht ganz dicht.
Eine größere Operation stand an. Ersteinmal die Teakleiste abschrauben. Erstaunlich, dass das noch geht nach 40 Jahren. Holzpropfen entfernen, Schrauben herausdrehen, die Leiste abnehmen.
Und dann: Schritt Eins: Mit Abbeizer den Lack runterholen. Schritt Zwei: Die Lackreste abschleifen, aber vorsichtig. Schritt Drei: Mit Oxalsäure, einem Hausmittel, haben wir versucht, die schwarzen Stellen zu entfernen. Wirkung: Fast gleich Null. Kein so tolles Hausmittel. Also doch noch einmal die Schleifmaschine.
Und dann sah endlich alles halbwegs gleichmäßig aus. Also begann der Neuaufbau der Lackschichten: Erst schön Klarlack (wir haben gute Erfahrungen mit Epifanes aus Holland gemacht) mit Mahagonibeize auftragen. Dann mehrere Schichten Klarlack mit Verdünner. Und dann eine Schicht nach der anderen. Ich hätte es ja selbst nicht geglaubt: Am Ende waren es neun Schichten Lack, die wir aufgetragen haben. Das sollte reichen für die kommende Saison. Operation abgeschlossen.