Monat: September 2020

Der perfekte Törn nach Damp 2000

Wenn der Wind passt, die Strecke gut gewählt ist und dann noch die Sonne scheint, wird aus einem kleinen Ausflug ein perfekter Törn. Auch wenn einem dabei Kuriositäten begegnen, zum Beispiel in dem Ort, der besser “Damp 2000” heißen sollte.

Die Sonne steht schon hoch am Himmel, an diesem sonnigen Samstag im September, das Boot ist aufgeklart. Doch wohin? Bei so günstigen Bedingungen, ein konstanter Wind der Stärke drei weht von Ost, scheint vieles möglich. Am liebsten würde ich nach Dänemark durchstarten, Langeland liegt etwa sechs Stunden entfernt im Nordosten.

Doch die Reise soll nach Damp gehen, eine fast perfekte Entfernung mit vier Stunden geschätzter Segelzeit. Dahin ist sogar ein Tagesausflug möglich, wenn die Bedingungen stimmen. Mit Damp verbindet mich Zuneigung wie Abneigung zugleich. Die Zuneigung, weil wir hier unser erstes Segelboot erworben hatten und es auch eine Saison dort lag, eine kleine Kelt 620. Die war trotz ihrer Länge von 6,20 Meter gar nicht langsam, weil sie eine ordentliche Segelfläche hatte. Liebevoll gepflegt von ihrem Vorbesitzer war das kleine Schiff auch.

“Damp 2000” wäre der passende Name, auch heute

Der Autor an der Pinne. Foto: flo

Doch bei Damp ist auch etwas Abneigung im Spiel: Die gigantischen Betonblöcke mit Hotel und Klinik, der Hafen, der wie eine Bühne zur Unterhaltung der Kurgäste eingekeilt zwischen den Hochhausfluchten liegt. Eigentlich gefällt mir der ursprüngliche Name, “Damp 2000”, viel besser, denn er ist ein Hinweis auf die Entstehung dieses Groß-Ferienortes in den 1970er Jahren, als das Jahr 2000 noch weit weg war und sich extrem futuristisch anhörte. Auch sparte man damals noch nicht mit dem Betonmischer und schuf im Stil des Brutalismus gewaltige Hochhausformen. Das Marketing des Urlaubsortes hat das “2000” wohl wissend schon lange aus dem Namen gestrichen.

Immerhin: Damp hat es geschafft, im Gegensatz zu vielen anderen Groß-Urlaubssiedlungen an der Ostsee, recht gut im Geschäft zu bleiben. Der Beton wirkt immer noch gepflegt, das Schicksal von Orten wie Wendtorf beispielsweise, wo erst die Leerstände und dann die Abrissbirne ins Zentrum kamen, blieb ihm erspart. Alles in allem ein lohnendes Ziel für einen kurzen Trip.

Also, Segel setzen und Kurs Richtung “Damp 2000”. Vorher noch ein Zwischenstopp an der Yachttankstelle Strande, da der Diesel etwas Nachschub braucht und man ja nie wissen kann, ob der Wind nicht doch einschläft. In Strande macht jedes Anlegen Spaß, weil der hilfsbereite Tankstellenwart die Leinen annimmt und neben dem Kraftstoff in seinem Kassenhäuschen nützliche Dinge wie kalte Getränke und Tageszeitungen vorhält.

Vor dem Bülker Leuchtturm geht dann das Großsegel hoch und die Fock wird ausgerollt. Die Vindö nimmt Fahrt auf, passiert die Spitze mit dem Leuchtturm und steuert dann schnurgerade auf “Damp 2000” zu. Mit ein wenig Trimm kann man die Pinne feststellen und sie fährt fast von allein geradeaus. Der Wind ist gemächlich, reicht aber, um das Schiff auf 4,5 Knoten zu bringen. Angesichts der perfekten Bedingungen, die Sonne knallt vom Himmel, die Wellen wiegen das Schiff ganz sanft, die Eckernförder Bucht zieht vorbei, kann diese Fahrt ruhig etwas länger dauern.

Die Urlaubsgäste flanieren in Damp mit Abstand

Ein Vorteil an “Damp 2000” sind die Gastliegeplätze, die an einem schönen Holzsteg noch vor dem eigentlichen Hafen liegen. Dort ist das Schiff wenig später gut festgemacht. Auf der Promenade herrschen die gleichen Bedingungen wie im Corona-Sommer überall an der Küste: Menschen flanieren mit Abstand, gehen mit Masken in die kleinen Geschäfte, bummeln vor sich hin. Eigentlich auch fast perfekt, man kann ja froh sein, dass es wieder Tourismus gibt.

Doch am Abend kommt Bewegung in die Szenerie. Am Strand sind einige Bretterverschläge aufgebaut, auch so etwas wie eine Bühne ist zu erkennen. Davor sammelt sich eine Schlange, die länger und länger wird. Kaum Abstand halten die Wartenden, einige ziehen sich etwas entnervt die Masken vom Gesicht. Ein Wärter mit Megafon ermahnt sie, die Masken sofort wieder aufzusetzen. Aus sicherer Entfernung vom Steg kann man verfolgen, wie die Urlauber in der Ansammlung aus Bretterhütten verschwinden. Dann steigt Trockeneis-Nebel auf, gewaltige Bässe dröhnen, bunte Lichter blitzen zwischen den Holzverschlägen.

Eine Nacht in “Damp 2000”. Foto: flo

Ein Wikinger-Spektakel scheint da zu steigen. Das muss natürlich dramatisch sein, blutrünstig und mit vielen Kämpfen. Über die Lautsprecher werden Flüche und Kampfgeräusche übertragen. Das mutet reichlich skurril an und nervt nicht wenige im benachbarten Yachthafen. Aber offenbar braucht es solche Spektakel, um die Urlaubersiedlungen voll zu bekommen. Schließlich will man seinen Gästen auch Live-Unterhaltung bieten. Was auch immer die dazu bewegen mag, dicht gedrängt anzustehen und sich dann ein solches Spektakel anzusehen. Gegen zehn Uhr ist der Spuk auch wieder vorbei, die Urlauberkolonne zieht davon, jetzt auch mit Abstand.

Eine sternenklare Nacht im Hafen Damp

Eine sternenklare Nacht folgt, in der es doch empfindlich kalt wird. Es ist eben Mitte September. Am nächsten Morgen rätsele ich wieder über die Steuerung der russischen Standheizung an Bord, die es nachts warm und nach Sonnenaufgang brüllend heiß unter Deck machte, obwohl sie eigentlich herunterregeln sollte. Besser zu viel als zu wenig, scheint die sibirische Devise in dem kleinen Kontrollteil zu sein, eine offenkundig unlogische Ansammlung von kleinen Tastern und Blinkleuchten. Antworten gibt die in brüchigem Deutsch und ebenso brüchigem Englisch verfasste Bedienungsanleitung nur spärlich. Immerhin arbeitet der kleine Heizer ansonsten äußerst zuverlässig in kalten Nächten.

Das Meer ist mit 17 Grad nicht mehr jedermanns Sache, das Schwimmbad hat noch nicht wieder geöffnet. Also bleibt nur die “Seglerdusche” im Keller eines Betonhauses zur Erfrischung. Die ist immerhin einen Hauch gepflegter als in anderen Häfen, obwohl einem in dem engen Kellerräumen doch etwas corona-getriebene Klaustrophobie erfassen könnte. Geschafft, wenig später ist man vermeintlich unbeschadet wieder an der frischen Luft.

Und während im Hafen Boot für Boot die frühen Segler ihre Leinen losmachen, lassen wir es mit einem gemütlichen Frühstück angehen, bevor wir uns ebenfalls wieder auf den Rückweg machen. Wieder perfekte Bedingungen: Ein konstanter Wind von Ost, so um die Windstärke 4, treibt das Boot schneller als gestern noch an. Die Windrichtung reicht gerade noch, um ohne Kreuzen den Bülker Leuchtturm zu erreichen. Und es ist voll auf dem Wasser: Im Norden sieht man Dutzende Segel, im Osten und im Süden ebenfalls.

Eine Stunde Revierfahrt in der Förde

Der “Schmetterling” auf der Förde. Foto: flo

Auch dem letzten Abschnitt in der Kieler Förde kommt der Wind genau von achtern – sprich: von hinten. Zeit für den “Schmetterling”. Beide Segel werden gegenüber gefahren, der Wind treibt das Boot vor sich her. Jetzt muss nur noch umsichtig manövriert werden, da die Förde an diesem Sonntagnachmittag voll mit kreuzenden Booten ist. Und zwischendurch schiebt sich immer wieder ein Frachtschiff oder eine Fähre vorbei.

Manchmal ist es schon etwas umständlich, dass unser Hafen so tief in der Förde, mitten in der Stadt liegt, weil man immer noch eine gute Stunde für diese “Revierfahrt” drauflegen muss. An diesem Sonntag ist das Genuss, immer an der Pinne, um den “Schmetterling” zu halten, denn die Segel fallen schnell ein, wenn man ein paar Grad aus dem Kurs geht. Im Hafen wartet gleich die nächste Menschenansammlung, eine Demonstration “für die Freiheit der Individuen” hat sich auf der Wiese oberhalb der Anlegestelle, flankiert von Polizei, versammelt. Doch wer die Freiheit sucht, der findet sie auch in Corona-Zeiten – auf der Ostsee, zum Beispiel.

Die Crux mit den Filialen

In der Corona-Krise muss der Einzelhandel schwere Zeiten durchmachen. Aus den Innenstädten verschwinden schon jetzt viele Filialen – aber jetzt sind Banken dran. Das hat einschneidende Folgen.

Es ist noch gar nicht lange her, da hatte eine private Großbank damit geworben, dass sie ihr Filialnetz ausbauen und pflegen werde und nicht – wie andere Institute – abbaut. Schließlich, so hieß es in regelmäßigen Pressemitteilungen, gewinne man ja Monat für Monat Kunden hinzu. Das tun übrigens die meisten Banken, zumindest erklären sie es.

Erfreulich – aber nicht von Dauer. Auch dieses Institut musste eingestehen, dass es um Filialschließungen nicht herumkommt. Zu übermächtig sei der Digitalisierungsschub durch die Corona-Krise geworden. Deshalb werden Filialen auch in Hamburg und Schleswig-Holstein, die im Zuge des Corona-Lockdowns bereits geschlossen worden waren, gar nicht mehr aufgemacht.

Selbst Sparkassen schließen Filialen

Im Zuge der Recherchen zu diesen Filialschließungen stieß ich gleich auf die zweite große Privatbank, die ebenfalls gerade im Begriff ist, vier Filialen im Norden zu schließen – aber dies nicht an die große Glocke hing, schließlich seien die Kunden schon informiert. Es war schon fast erstaunlich, dass sie in einigen Orten an der schleswig-holsteinischen Westküste überhaupt noch vertreten war, die ja eigentlich fest in der Hand der Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken sind.

Und selbst die Sparkassen haben in der Fläche in den vergangenen Jahren kräftig abgebaut. Wenn es keine Filialen mehr gibt, kommt mit Glück noch ein Bank-Bus einmal die Woche vorbei, oder es wird auf das nächste Städtchen im Kreis verwiesen. Aber es ist auch eine Crux mit den Filialen: Sie werden weniger und weniger benötigt. Die Digitalisierung leistet dabei einen erheblichen Vorschub.

Zwischendurch gab es einige Spielereien, möchte man sagen, Bankberatung im Café etwa, wie sie Deutschlands größte Sparkasse in Hamburg ausprobierte. Nur – wer möchte mit einem Berater in einem wuseligen Bäckereicafé über seine Finanzen reden, während um ihn herum die Kunden kommen und gehen? So ziemlich das Gegenteil von Diskretion ist das. Kaum ein Szenario fällt einem ein, in dem dies Sinn machen würde.

Die Kunden können sich viele Wege schenken

Wenn die Gespräche also nicht im Cafe und nicht in der Filiale stattfinden – wo dann? Am guten alten Telefon höchstwahrscheinlich oder auch in der Videokonferenz mit dem Bankberater. Es hilft nichts: Bei beiden Wegen ist man ortsunabhängig, kann sich den Weg schenken. Bei wichtigen Terminen wird dies keine Alternative sein, aber für die regelmäßigen Gespräche schon. So wie das Bargeld auf dem Rückzug ist, wird es auch der Schalter in der Filiale sein.

Und so werden sich die Bankfilialen perspektivisch wohl einreihen in die Vielzahl der Geschäfte, die aus den Innenstädten abziehen. Die Postfilialen machten oft den Anfang. Es gibt gar nicht mal so kleine Bahnhöfe, in denen die DB ihr Reisezentrum geschlossen oder ausgelagert hat. Und selbst die Zukunft der Kinos ist keineswegs mehr sicher. Es scheint geradezu eine Crux mit den Filialen zu sein.

Die Zukunft der Innenstädte

Gastronomie wird in den Innenstädten eine größere Rolle spielen.
Gastronomie statt Filialen – das wird künftig in den Städten eine größere Rolle spielen. Foto: pixabay

Die Händler wissen natürlich längst, wo die Zukunft der Innenstädte liegt, wie zum Beispiel der Einzelhandelsverband für einen anderen Bericht über die Schließung von Karstadt-Standorten berichtet: Eine multifunktionale Innenstadt muss entstehen, in der es viel Aufenthaltsqualität gibt und viel Gastronomie, in der aber auch gewohnt wird und wo es eben auch Geschäfte gibt. Aber die Einkaufsstadt klassischer Prägung wird sich wandeln.

Statt zu Karstadt zu gehen, statt die Bank zu besuchen, oder in den Filialen einer Modekette zu shoppen, wird dort auch gebummelt und flaniert – aber eben nicht notwenigerweise zum Einkaufen. Noch steht übrigens die Corona-Krise dieser Entwicklung entgegen, denn noch gibt es Maskenpflicht, und das ist mit der Hindernisgrund Nummer eins für entspanntes flanieren. Aber wenn die Krise hoffentlich einmal eingedämmt ist, muss der Wandel beginnen. Einige Städte werden das schaffen, andere nicht. Man darf gespannt sein, wie rasch sich der Wandel vollzieht.