Alles nur noch leihen statt kaufen? Nicht besitzen, sondern benutzen? Die Anhänger der “Sharing Economy” sehen darin das Modell einer neuen Wirtschaftsordnung. Doch das funktioniert praktisch kaum, zu viele Hürden stehen dem entgegen, wie eine simple Mietwagenbuchung zeigt. Die Hürden sind zu hoch.
Ausgerüstet mit einem Ausdruck des Vouchers, Führerschein, Ausweis und Kreditkarte am Mietwagenschalter – und ins Verkaufsgespräch. Wer hat das nicht schon erlebt? Denn was ist mit der Reisegepäckversicherung, der Insassen-Unfallversicherung, der erweiterten Haftung, die allesamt nicht abgedeckt seien, wie der Mitarbeiter am Schalter deutlich macht. Und die gewählte Mietwagengröße ist für eine längere Strecke doch auch nicht die richtige. Auch Debatten über die Tankregelung gehören dazu, der Tank wird drei zwei Achtel voll übergeben und bitte so wieder abgegeben.
Und doch: Man könnte diese Gespräche am Mietwagenschalter vermissen. So lästig sie auch waren, man musste sich ja nichts “aufschwatzen” lassen. Das ließ sich auch sportlich absolvieren. Aber heute sind sie einfach wegrationalisiert worden. Die Buchung eines Mietwagens ist dadurch keineswegs einfacher geworden, im Gegenteil.
In der Kleinstadt gab es kaum Autos
So haben wir es erfahren müssen, als wir jüngst in Schweden ein Auto buchen wollten. Erst einmal eines finden! Die bekannten Mietwagen-Preisvergleichsportale priesen zwar alle Angebote für die gar nicht so kleine Kleinstadt in Südschweden an, an deren Hafen wir mit dem Boot angelegt hatten. Doch nach mühseliger Angabe der Daten konnte kein einziges der Portale ein verfügbares Auto aufweisen.
Also kein Preisvergleich, sondern direkt gebucht. Unter den großen Firmen hatte der “große rote Anbieter”, anders als der gelbe, tatsächlich ein Fahrzeug vorrätig, wenn auch nicht wirklich günstig. Wir sind eben nicht auf Mallorca, sondern in Schweden. Der nächste Schritt, der mich ohne Übertreibung eineinhalb Stunden kostete, war der Versuch, meinen Account als “preferred customer” wiederzubeleben. Natürlich war das Passwort längst vergessen und die Zustellung eines neuen klappte auch nicht. Als ich es endlich schaffte, über den Link einer alten Werbemail wenigstens meine “World Discount Number” eintragen zu lassen, staunte ich: Der Preis war mit “Discount Number” genauso hoch wie ohne.
Kreditkartendaten jagen ohne Spur durchs Netz
Also in den sauren Apfel gebissen und gebucht. Natürlich lief die Reservierung über den ausländischen Zahlungsdienstleister erst einmal schief, bevor er eine zweite Kreditkarte akzeptierte. Was mit den Daten aus dem fehlgeschlagenen Versuch passierte – keine Ahnung.
Die Reservierung wurde durchgeführt, konnte aber nicht bestätigt werden. Das müsse manuell geschehen, wurde per E-Mail ausgerichtet. Im Eifer des Gefechtes fiel mir auf, bei den Daten einen Tag zu kurz angegeben zu haben. So würde der schwedische Mietwagen-Abstecher doch etwas kurz werden. Also versucht, die Hotline anzurufen – ein schwerer Fehler. Bei der harmlos erscheinender Nummer in Frankfurt sind zwei Telefoncomputer hintereinander geschaltet, ganz schön raffiniert.
Der erste fängt die Anrufer ab. Unter allen Optionen, die mir das System anbot, haute keine einzige hin. Doch statt eines “Mitarbeiters” (ich habe dieses Wort ungefähr zehnmal ins Telefon gerufen) wurde ich mit dem zweiten Computer verbunden, bei dem ich mit den Telefontasten durchs Menü navigieren durfte. Das Ergebnis: es kam die automatische Ansage, man möge doch bitte die Website besuchen, dort könne man die Buchung verwalten. Was übrigens auch online nicht klappte.
Das Auto mit Hybridantrieb war prima
Nur wenige Stunden später traf dennoch die Bestätigung ein. Zu dem Zeitpunkt war es mir übrigens schon egal, ob die Mietwagenbuchung funktioniert oder nicht. Und was kam noch einige Stunden später? Die Aufforderung, einen “Online Check-in” zu machen. Natürlich ging es darum, Verwaltungsarbeit dem Kunden aufzuladen, sprich die Führerschein- und Ausweisnummer zu erfassen. Früher gab es dafür eben den Mitarbeiter am Schalter, der die Gelegenheit für ein ordentliches Verkaufsgespräch nutzte.
Wir haben den Wagen schließlich erhalten, aber es hat viel zu viel Zeit gekostet. Wenigstens ließ sich das über das hervorragende schwedische LTE-Netz von Bord des Segelbootes aus machen. Übrigens: Das Auto war prima. Ein geräumiger Kombi mit einem Hybridmotor. Den konnte man an der nächsten Steckdose aufladen, davon gab es erstaunlich viele, und dann geräuschlos 50 Kilometer rein elektrisch weiterrollen. Nicht wirklich sinnvoll, aber Spaß hat es gemacht. Man könnte also sagen: das Produkt war gut.
So wird das nichts mit der “Sharing Economy”
Doch die Lehre der ganzen Geschichte ist: So wird das nichts mit der “Sharing Economy“, die seit ungefähr acht Jahren durch die Medien geistert. Danach wollen Menschen künftig weniger besitzen und sich mehr teilen, ein Gedanke, der weder übermäßig sympathisch ist, auch nicht unbedingt der menschlichen Natur entspricht – aber vor allem ganz praktisch scheitert.
Wer sich durch immer kompliziertere Online-Tools durcharbeiten muss, um eine banale Sache wie eine Mietwagenbuchung vorzunehmen, kommt nicht auf den Geschmack des “sharing”. So erlebt übrigens auch bei einem Anbieter von Elektrorollern in Hamburg, der sich partout weigerte, meinen alten EU-Führerschein als gültig anzuerkennen, sicherheitshalber aber schon einmal eine Anmeldegebühr kassierte, die ich erst nach längeren Diskussionen zurückerstattet bekam.
Und es bleibt noch ein weiteres Problem: Gerade im Mietwagenbereich können manche Unternehmen einfach nicht der Versuchung widerstehen, mit vermeintlichen Schäden zusätzlich etwas Kasse zu machen. So erlebt einmal bei einem Wagen in München, bei dem 400 Euro für einen Kratzer an der Heckklappe entrichtet werden sollten. Glücklicherweise hatte ich den Zustand der Heckklappe vorher per Smartphone dokumentiert und nach längeren Diskussionen nahm der Anbieter (der gelbe) davon Abstand. Seither versuche ich, wo immer es geht, eine Vollkasko ohne Selbstbeteiligung einzubauen – was natürlich Zusatzkosten verursacht.
“Sharing” macht das Leben komplizierter
Nein, Sharing spart kein Geld. Es macht das Leben nicht einfacher, sondern komplizierter. Und der Verzicht, der bestimmten Menschen so reizvoll erscheint, ist in Wirklichkeit ein anderer: Statt auf das eigene Auto, das eigene Boot, die eigene Bohrmaschine, Fahrrad oder was auch immer zu verzichten und diese zu leihen, lautet die Alternative lieber: Vielleicht doch den Bus statt den Mietwagen nehmen, vielleicht kein Boot chartern, die Schleifmaschine lieber selber anschaffen oder gleich improvisieren. Und kaufen und verkaufen ist nicht weniger nachhaltig als mieten.
Solange es Anbieter gibt, die immer umständlichere Buchungssysteme auflegen, die Arbeit nur an den Kunden “outsourcen” sollen, die mit intransparenten Preisen arbeiten oder in Preisvergleichen bevorzugt werden oder gar mit vermeintlichen Schäden an der Mietsache Kasse machen wollen, wird das Vertrauen der Konsumenten bröckeln. Und ohne Vertrauen wird das nichts mit der “Sharing Economy”. Der Begriff gehört momentan eher ins Marketing und ist nicht Teil einer neuen Wirtschaftsordnung.