Ein Kommentar zu den ersten Lockerungen der Corona-Krise
Schon erstaunlich ist es, wer jetzt alles wieder öffnet: Die Autohändler freuen sich, die Einkaufszentren öffnen ihre Tore, kleine und auch große Geschäfte wollen ab Montagfrüh aufsperren. Wenn die Verkaufsläche zu groß ist, über 800 Quadratmeter, greift hier oben in Schleswig-Holstein die Möglichkeit, Teile der Fläche abzusperren und so verkleinert zu öffnen. Das planen nicht nur Saturn & Co, sondern auch viele mittelgroße Läden. Interessant dürfte die “Wegeführung” der Lockerung werden, Fluchtwege etwa müssen freigehalten und gekennzeichnet sein, auch in abgesperrten Geschäften.
Ob die Verbraucher wirklich so hohen Nachholbedarf beim Konsum haben, dass sie jetzt die Einkaufsstraßen stürmen? Wenn der Andrang zu groß wird, wären viele der Distanz-Maßnahmen der vergangenen Wochen für die Katz. Schließlich sind Masken immer noch Mangelware, zumindest die, die halbwegs etwas taugen.
Kurios war schon der Nachrichtenfluss in der vergangenen Woche: Erst starrten alle voller Erwartung auf den Mittwoch, an dem die Kanzlerin mit den Länderchefs tagte und erste Lockerungen bekannt gab. Nach einem kurzen Durchatmen ging es dann wieder los: Warum dieses und jenes nicht, wieso müssen Großveranstaltungen bis August gesperrt werden, wieso dürfen nicht die Schulen sofort öffnen, wieso nicht gleich alle Geschäfte. Da waren kuriose, aber auch ganz vernünftige Forderungen dabei (wie hier von Wirtschaftsminister Bernd Buchholz, der die Öffnung von Geschäften lieber nach Personen pro Quadratmeter geregelt hätte).
Den Bock schoss dann aber die Landesregierung ab, die am Donnerstag ankündigte, Großveranstaltungen bis zu 1000 Teilnehmern zuzulassen, mit dem Zusatz “schrittweise”. Sofort werden Erinnerungen an Berliner Clubs wach, in denen sich Dutzende Menschen vor dem “Lockdown” angesteckt haben, weil sie viel zu dicht beieinander feierten. Das wollen die hier im Norden ernsthaft wiederhaben? Die Landesregierung betonte, man werde dies schrittweise bis zum August einführen. Doch für eine ordentliche “Corona-Party” brauche ich nicht einmal 1000 Teilnehmer, 20 reichen ja schon. Man sollte die Krise nicht falschherum definieren: Das Problem sind nicht die mangelnden Lockerungen, sondern der Corona-Virus an sich, der ja immer noch da ist.
Nein danke, dann steckt Euch mal alle schön selber an. Bevor ich eine Veranstaltung auch mit mehr als einer Handvoll Besucher beiwohnen möchte, würde ich – um es einmal ganz praktisch zu sagen – noch eher die großen Möbelhäuser öffnen, so wie es Nordrhein-Westfalen jetzt gemacht hat, mit der weitgehensten Lockerung in Deutschland. Vielleicht wären Restaurantöffnungen mit wenigen Tischen noch eher möglich. Da lässt sich Abstand halten – so traurig das für Konzertveranstalter und Clubbesitzer ist. Corona braucht Fingerspitzengefühl.