Ein sonntäglicher Kommentar zur nächsten Lockerungswelle, Urteilen in der Corona-Krise und dem Anfahren des Tourismus – aber schön vorsichtig, bitte.
Einkaufen und Tourismus – das gehört zusammen. Denn in den Tourismusorten hier oben im Norden sind die Geschäfte besonders leer. Klar, “Badekappenshops” haben momentan schwer verkäufliches Strandzubehör: Sonnenschirme, Luftmatrazen, Strandmuscheln brauchen nur wenige in der Corona-Krise – da lohnt es sich gar nicht erst, aufzusperren. Werfen wir einen Blick auf die Strandpromenade von Westerland (mit der Webcam hier, zum Beispiel). Ich habe am Sonntagmittag ganze zwei Spaziergänger gezählt.
Doch die Schwäche mit dem Umsatz gibt es in der Stadt natürlich auch, nicht nur in den Urlaubsorten. Was zum Beispiel, wenn ein sehr großes Geschäft voll mit gefragten Produkten ist, diese aber nicht anbieten darf? “Als wir auch Ware aus den anderen Stockwerken verkaufen durften, haben wir bundesweit den besten Umsatz gemacht”, sagt der Geschäftsführer eine sehr großen Kette von Geschäften vergangene Woche. Es brummte also einmal kurz, zwei Tage lang. Dann kamen die Ordnungshüter und untersagten ihm den Verkauf. Nur das, was auf der Fläche liegt, die geöffnet ist, darf auch verkauft werden. Sprich: 800 Quadratmeter und keinen mehr.
Das ist eine harte Grenze, die sich mit Gesundheitsvorsorge eigentlich nicht begründen lässt. Schließlich kann auf größeren Flächen die Distanz besser eingehalten werden. Der Handel, der auf weitere Lockerungen hofft, wurde am Donnerstag aber ernüchtert: In Hamburg bleibt die Verkaufsfläche zur Eindämmung des Coronavirus auf 800 Quadratmeter beschränkt. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht (OVG) bestätigte die entsprechende Verfügung des Senats. Doch überraschend geht die Landesregierung im Norden einen anderen Weg: Die strengen Regeln sollen gelockert werden, bald soll jedes Geschäft öffnen dürfen. Eine vernünftige Entscheidung. Doch Stichwort Tourismus: Wird bald Einkaufstouristen geben, die von Hamburg in die großen Geschäfte im Nachbarland kommen?
Das zeigt aber auch: Manchmal benötigt es gar kein Gericht, auch wenn Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) in diesem bemerkenswerten Interview von Robin Alexander Kritik an den Gerichten äußert. Die Bundesregierung bemängelt darin, dass einzelne Maßnahmen des Corona-Lockdowns aufgehoben wurden. Sogar die 800-Quadratmeter-Grenze wird verteidigt. Das ist “harter Tobak”, gerade vor dem Hintergrund der bisheri unnachgiebigen Linie.
Harter Tobak ist das aber auch vor dem Hintergrund der neuen Frontalattacke des Bundesverbandes der Deutschen Industrie gegen die strikten Maßnahmen (aus der die “Bild” ein Corona-Ultimatum der Industrie an Merkel macht). Natürlich kann die Bundesregierung nicht dabei zusehen, wie ihre Maßnahmen bundesweit Stück für Stück ausgehebelt werden. Schließlich kommen die niedrigen Infektions- und Sterberaten in Deutschland nicht von ungefähr, sondern von einem ausgdehnten, disziplinierten Lockdown. Und sollte der sich als weiter notwendig erweisen, auch gerade aus Sicht von Virologen, um es einmal zu betonen, muss er eben fortgesetzt werden.
Was aber nicht heißt, das bestimmte Regeln nicht auf den Prüfstand gehören. Dazu gehört die tatsächlich unsinnige Beschränkung der Verkaufsfläche. Dazu kann auch ein stückweises Wiederanfahren im Tourismus gehören, den die Landesregierung plant. Ministerpräsident Daniel Günther berichtet, dass er sich dafür eingesetzt habe in den Gesprächen zwischen Bund und Ländern. Noch vor Pfingsten könnte etwas Tourismus wieder möglich sein, darüber soll am 6. Mai beraten werden. “Ich sage an dieser Stelle deutlich, dass wir in Schleswig-Holstein das auch machen werden”, sagte Günther, um aber noch keine Details zu nennen.
Aber bitte schön stückweise. Wir wollen ja nicht, dass die Menschen in Schleswig-Holstein, die vom Erscheinen von Hamburgern in den vergangenen Wochen völlig überfordert waren und gar die Polizei riefen, erneut auf die Barrikaden gehen (treffend in dieser Glosse in der Zeit beschrieben). Dann lieber schön langsam. Wobei die Promenaden der beliebtesten Ziele der Zweitwohnungsbesitzer von St. Peter Ording über Westerland bis Timmendorfer Strand etwas Leben schon noch verkraften könnten. Dort könnten dann auch einige Badekappen mehr verkauft werden.
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